Aus unklar wird klar: Das Bürgergeld ist festgezurrt (Bild, Online-Auftritt Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Ampel-Koalition und Union haben lange über das Bürgergeld gestritten. Jetzt sind sie sich einig. Was ändert sich für die Menschen zum 1. Januar 2023?

Das Bürgergeld kommt zum 1. Januar 2023. Nach einer harten Auseinandersetzung haben sich Ampel-Koalition und Union über die Inhalte der Reform verständigt. Das Schonvermögen fällt etwas geringer aus, Sanktionen werden härter gehandhabt.

„Dieses Gesetz wird weiter den Namen Bürgergeldgesetz tragen“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstag. „Aber es wird nicht mehr dem Inhalt nach das Bürgergeld sein, das die Koalition ursprünglich geplant hat.“ Für die SPD bleibt das Bürgergeldgesetz hingegen der Abschied von Hartz IV und damit eine, wie es Bundeskanzler Olaf Scholz zuvor sagte, „ganz große Sozialreform“.

Mehr Geld: Mit der Einigung zwischen Ampel-Koalition und Union ist jetzt auch klar, dass der Regelsatz in der Grundsicherung zu Beginn des kommenden Jahres steigen kann: von 449 auf 502 Euro. Die dauerhafte Änderung dabei: Bei Hartz IV gab es einen Inflationsausgleich immer nur für vergangene Preissteigerungen. Jetzt gibt es auch einen Zuschlag, um die Folgen höherer Preise in den kommenden Monaten abzufangen. Es herrscht Einigkeit, dass dieser Schritt angesichts der Inflation dringend notwendig ist.

Mehr Qualifizierung: Als Kern ihrer Reform fassen SPD, FDP und Grüne den Wegfall des Vermittlungsvorrangs auf. Das bedeutet, dass künftig nicht mehr zwingend in irgendeinen Job vermittelt werden soll – egal in welchen. Stattdessen sollen Aus- und Weiterbildung wichtiger werden. Dies hält die Ampel-Koalition in Zeiten des Fachkräftemangels für einen wichtigen Schritt. Bisher, so die Argumentation, habe es oft einen Drehtüreffekt gegeben. Hartz-IV-Empfänger seien zwar in eine Tätigkeit vermittelt worden. Doch sie seien dann oft sehr schnell wieder zurück in den Jobcentern gewesen.

Keine Vertrauenszeit: Ein Anliegen der SPD und insbesondere der Grünen war es, am Anfang Druck aus dem Verhältnis der Jobcenter-Mitarbeiter zu den Langzeitarbeitslosen zu nehmen. Die Ampel-Koalition hatte in ihrem Gesetzentwurf zum Bürgergeld deshalb eine Vertrauenszeit von einem halben Jahr vorgesehen. In ihr sollte es nur bei krassen Terminversäumnissen Sanktionen geben können. Diese Vertrauenszeit wird es nicht geben – das hat die Union jetzt durchgesetzt. Das bedeutet: Bei allen möglichen Pflichtverletzungen kann auch in den ersten sechs Monaten sanktioniert werden. Ohne Verzicht auf die Vertrauenszeit wäre die Reform mit der Union im Bundesrat nicht machbar gewesen, heißt es aus Reihen der Ampel-Koalition. Es sei der Preis gewesen, den man habe zahlen müssen. Die FDP war ohnehin nicht für die Vertrauenszeit – ihr fiel das Umschwenken leicht.

Kernzeit und Schonvermögen: Auch eine weitere Idee der Bürgergeldreform ist von der Union zurechtgestutzt worden. In einer Karenzzeit von zwei Jahren sollte die Angemessenheit der Wohnung von neuen Bürgergeldempfängern nicht überprüft werden. Die Idee dahinter: Menschen sollen sich darauf konzentrieren, eine neue Arbeit zu finden und nicht eine neue Wohnung. Gleichzeitig sollte in dieser Zeit ein Schonvermögen von 60 000 Euro pro Person gewährt werden – plus 30 000 Euro pro zusätzlichem Haushaltsmitglied. Dieses Geld hätte also behalten werden dürfen, ohne dass es auf das Bürgergeld angerechnet worden wäre. Jetzt wird die Karenzzeit – auf Druck von CDU und CSU – auf ein Jahr verkürzt. Das Schonvermögen soll dabei 40 000 Euro betragen, für jedes weitere Haushaltsmitglied sind es 15 000 Euro. Es fällt also deutlich geringer aus als ursprünglich geplant.

Hinzuverdienst: Ein Punkt, der aus den Reformplänen der Bundesregierung erhalten bleibt, ist das Grundsicherungsempfänger mehr Geld behalten sollen dürfen, wenn sie etwas dazuverdienen. Das war vor allem der FDP wichtig – gerade auch mit Blick auf junge Menschen, die in Familien im Leistungsbezug aufwachsen. „Es ist ein wichtiger Schritt zu mehr Leistungsgerechtigkeit, dass Schüler ihr selbst verdientes Geld aus einem Minijob behalten dürfen und sich eine Ausbildung finanziell deutlich mehr lohnt“, sagte der Sprecher der FDP-Fraktion für das Thema Bürgergeld, Jens Teutrine.

Formell über den Kompromiss abgestimmt wird am Mittwoch im Vermittlungsausschuss aus Bundestag und Bundesrat. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat einen Beschlussvorschlag für den Ausschuss erstellt, der den Kompromiss umreißt. Die CDU-Spitze ließ keinen Zweifel daran, dass das Gesetz für Länder, in denen die Union mitregiert, jetzt zustimmungsfähig sei.