Foto: Marijan Murat/dpa - Marijan Murat/dpa

Die Nebenkläger und die Verteidigung haben Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat das Urteil des Landgerichts hingegen akzeptiert. So geht es nun in dem Fall weiter.

StuttgartEs ist ein spektakulärer Fall gewesen, und nicht minder viel Aufsehen hat auch das Urteil gegen den Jaguar-Raser erregt. Die Hoffnung der Verteidigung hat sich zerschlagen: Statt als freier Mann aus dem Gerichtssaal zu gehen, wanderte der 21-Jährige vor zwei Wochen direkt zurück in die Justizvollzugsanstalt. Wegen unerlaubten Autorennens mit Todesfolge verurteilte ihn das Landgericht zu fünf Jahren Jugendstrafe. Nun wollen sowohl die Nebenkläger, die Eltern der beiden bei dem Unfall getöteten jungen Leute, als auch die Verteidiger, dass das Urteil, dessen Begründung sowie die Verfahrensführung von höherer Instanz auf Herz und Nieren geprüft werden. Sie haben Revision beantragt. Bis man aber weiß, ob der Fall tatsächlich neu aufgerollt werden muss, kann einige Zeit ins Land gehen. „Voraussichtlich erst im nächsten Sommer wird die Entscheidung fallen“, sagt Christoph Buchert, der Sprecher des Stuttgarter Landgerichts, wo der Fall acht Wochen lang verhandelt wurde.

Der verurteilte Raser hatte am 6. März einen Unfall mit zwei Toten an der Rosensteinstraße im Nordbahnhofviertel verursacht. Er war mit bis zu 168 Kilometern pro Stunde gerast. Als er die Kontrolle verlor – wegen eines Ausweichmanövers –, schleuderte er in einen Kleinwagen, in dem eine 22-jährige Frau und ihr drei Jahre älterer Freund saßen. Beide starben. Die Verteidigung sah darin einen Fall von fahrlässiger Tötung. Daher ist sie mit dem Urteil nicht zufrieden. Denn anders als die Richterinnen der 4. Jugendstrafkammer sind die Anwälte nicht der Meinung, dass die Fahrten des zur Tatzeit 20-Jährigen als Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer einzustufen seien. Die Kammer unter Vorsitz der Richterin Cornelie Eßlinger-Graf hatte diese Frage bejaht. Hingegen hatte sie zu der Frage, ob der junge Mann den Tod oder schwere Verletzungen anderer Menschen in Kauf genommen hatte, verneint. Und damit kam keine Verurteilung wegen Mordes infrage. Die Staatsanwaltschaft hatte den jungen Mann wegen Mordes angeklagt.

Auch die Nebenkläger hadern mit dem Urteil: Die Anwältin Monika Spandau hatte eine Verurteilung wegen Mordes gefordert. Sie sah diesen bedingten Tötungsvorsatz gegeben. Sie vertritt die Eltern der beim Unfall getöteten Jaqueline. Warum wird es so lange dauern, bis man weiß, ob das Urteil Bestand haben wird? Das liegt am aufwendigen Verfahren, welches die Beteiligten mit den eingelegten Rechtsmitteln nun angestoßen haben. Revision bedeutet, dass Rechtsfehler im Urteil und in der Begründung gesucht werden. Tauchen welche auf, muss der Fall neu aufgerollt werden. Um dies feststellen zu können, muss zunächst das schriftlich ausformulierte Urteil vorliegen. Dieses erhalten die Verfahrensbeteiligten. Sie müssen dann auf dieser Grundlage ihre Revision ausführlich begründen. Das schriftliche Urteil muss etwa acht Wochen nach der mündlichen Verkündung vorliegen. Erst dann geht das Revisionsersuchen an den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe, bei dem ein Senat auf Verkehrsstrafsachen spezialisiert ist. Dessen Richter holen dann Stellungnahmen ein und schauen sich den Fall an. Wenn sie Rechtsfehler finden, geht der Fall zurück ans Gericht. Mögliche Rechtsfehler wären zum Beispiel, wenn Punkte, die den Angeklagten entlasten, nicht beachtet wurden. Auch eine exakte Begründung, warum es nicht infrage kommt, dass der Tod billigend in Kauf genommen wurde, muss vorliegen.

Das wird für den BGH auch deswegen eine spannende Sache, weil es beim angewendeten Paragrafen 315 d noch wenig Erfahrungswerte gibt: Es gibt ihn erst seit zwei Jahren. Jedoch ist der Stuttgarter Fall nicht der erste, in dem nach diesem Paragrafen geurteilt wurde. Im Juli verurteilte das Aachener Landgericht einen Mann, weil er ein Autorennen nachgestellt hatte – ohne Kontrahenten. Sein Ehemann, der auf dem Beifahrersitz saß, starb bei einer Kollision. Ihm habe der 46-jährige Mann Angst einjagen wollen. Er wurde auf der Grundlage des gleichen Unterpunktes bestraft, der grob verkehrswidriges Fahren zum Erreichen der Höchstgeschwindigkeit unter Strafe stellt. Und auch er legte Rechtsmittel ein, nachdem er zu sechs Jahren Haft verurteilt worden war. Bei einem Urteil aus Berlin gegen einen Raser, der bei einem Autorennen einen Menschen getötet hatte, gab der Bundesgerichtshof der Revision statt und verwies den Fall zurück. Sie hatten im Urteil eine Begründung vermisst. Die Richter in Berlin waren automatisch davon ausgegangen, dass von einem Autofahrer, der durch die Stadt rast, der Tod oder das Verletzen anderer billigend in Kauf genommen werden. Das hatten die Berliner Juristen aber nicht ausreichend in ihrem Mordurteil begründet. Der Fall wurde neu aufgerollt – und endete mit dem gleichen Urteil: Mord.

Revision im Fall des Jaguar-Rasers

Unfall: Zwei Menschen sind in der Nacht zum 7. März gestorben, weil ein junger Mann mit einem 550 PS starken Jaguar F Type R auf der Rosensteinstraße im Nordbahnhofviertel gerast war. Sie hatten im Kino gearbeitet und wollten nach Feierabend heimfahren. Der Jaguar krachte in ihren Citroën.

Prozess: Der beim Unfall 20 Jahre alte Stuttgarter war wegen Mordes angeklagt. Verurteilt wurde er aber wegen eines illegalen Autorennens mit Todesfolge nach dem noch jungen Paragrafen 315 d im Strafgesetzbuch. Darin sind auch Tatbestände wie das Rasen mit Höchstgeschwindigkeit benannt.

Revision: Gegen Urteile am Landgericht können alle Verfahrensbeteiligten bis zu eine Woche nach der Verkündung das Rechtsmittel der Revision einlegen. Im vorliegenden Fall haben das die Nebenklagevertreter und die Verteidiger getan. Ob die Revision zugelassen wird, entscheidet letztlich der Bundesgerichtshof.