Die deutsche Regierung befürchtet, dass ein zu niedriger Gaspreisdeckel dazu führen könnte, dass die Flüssiggasterminals – hier in Lubmin – nicht mehr angefahren werden. Foto: IMAGO/BildFunk

Die Europäische Union will gegen die hohen Energiepreise vorgehen. Nun soll ein komplizierter Mechanismus zu heftige Ausschläge am Gasmarkt unterbinden.

Am Ende hat Deutschland dem Druck nachgegeben. Die EU-Energieminister einigten sich am Montag in Brüssel auf einen hart umkämpften Gaspreisdeckel. Der Mechanismus soll dabei helfen, die angesichts des Ukraine-Krieges stark schwankenden Gaspreise zu kontrollieren. Nach dem Willen der Minister soll der Gaspreis am Handelsplatz TTF unter bestimmten Bedingungen die Grenze von 180 Euro pro Megawattstunde nicht übersteigen dürfen. Ein solcher Preisdeckel würde Großkunden betreffen, die dort handeln - nicht Endverbraucher, wie etwa bei der Gaspreisbremse der Bundesregierung.

Die schwierigste Diskussion drehte sich um die Preisgrenze

Zur Überraschung vieler Beobachter hat auch Deutschland für diese Grenze gestimmt. Die Bundesregierung hatte sich über Monate gegen einen solchen Deckel gewehrt. Das zentrale Argument aus Berlin war, dass die Versorgungssicherheit gefährdet wäre. Befürchtet wird, dass Lieferanten ihr Gas etwa an asiatischen Märkten verkaufen würden, wo sie höhere Preise erzielen könnten.

Die schwierigste Diskussion sei nicht gewesen, die Preisgrenze festzulegen, wann der Deckel greift, sondern unter welchen Bedingungen er aktiviert wird, hieß es in Brüssel. Geeinigt haben sich die Minister der 27-EU-Staaten nun darauf, dass der Gaspreis drei Tage in Folge über 180 Euro liegen muss, erst danach tritt der Mechanismus in Kraft. Danach bleibt er für mindestens 20 Tage aktiviert. Zusätzlich muss der internationale Durchschnittspreis für Flüssiggas (LNG) mindestens 35 Euro unter der 180-Euro-Schwelle liegen, damit der Deckel greift. So soll verhindert werden, dass LNG-Lieferungen plötzlich zurückgehen. Sollten die LNG-Importe dennoch signifikant sinken, solle die Preisobergrenze ausgesetzt werden, hieß es am Montag in Brüssel. Der Deckel soll frühestens am 15. Februar aktiviert werden können.

Zuletzt lag der Gaspreis am TTF unter 110 Euro pro Megawattstunde

Deutschland konnte dem europäischen Gaspreisdeckel nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) dank verschiedener Sicherheitsmaßnahmen zustimmen. „Wir haben jetzt sehr viele Instrumente definiert, die die Gefahr eines unbedachten Effekts deutlich reduzieren“, sagte Habeck in Brüssel. Wenn Gas rationiert werden müsse oder wenn der Handel zurückgehe, werde der Mechanismus wieder ausgesetzt. „Sollte sich herausstellen, dass ein Markteingriff nicht opportun ist, dann hoffe ich, dass wir die politische Kraft finden, das auch noch mal in Frage zu stellen,“ ergänzte der Minister.

Ausgangspunkt für die Diskussion bei dem Sondertreffen war ein Vorschlag der EU-Kommission. Der sah vor, unter bestimmten Umständen den Preis für Gas, das am Großhandelsplatz TTF verkauft wird, bei 275 Euro pro Megawattstunde zu begrenzen. Zuletzt lag der Gaspreis am TTF am Montag etwas unter 110 Euro pro Megawattstunde für den Januar-Vertrag. Im August erreichte der TTF einen Höchststand von fast 350 Euro pro Megawattstunde. Experten gehen davon aus, dass ein solcher Deckel auch in diesem Winter nicht greifen würde. Wenn allerdings im kommenden Sommer die Gasspeicher wieder gefüllt werden müssen, steigen damit auch unweigerlich die Gaspreise.

Skeptiker fürchten weiter Gasknappheit

Die deutsche Seite hatte immer wieder zu Bedenken gegeben, dass mit dem Gaspreisdeckel die funktionierenden Marktmechanismen außer Kraft gesetzt würden und zu einer Gasknappheit führen könnte. In dieses Horn stieß am Montag erneut Markus Ferber, der wirtschaftspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, er warnte davor, dass Europa am Ende ohne Energielieferungen dastehe. „Wir müssen hier ganz genau aufpassen, dass ein derartiger Markteingriff nicht nach hinten losgeht“, sagt der CSU-Politiker. „Wenn die Weichen an solch einem Instrument falsch gestellt werden, kann es ganz schnell zappenduster in Europa werden.“ Zufrieden über den Gaspreisdeckel äußerte sich hingegen Rasmus Adresen, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament. „Wenn der Gaspreisdeckel konsequent umgesetzt wird, kann er zu einer spürbaren Entlastung der Bürger und Unternehmen beitragen“, sagte der Abgeordnete am Montag.

Der Handelsplatz TTF wird nun genau beobachtet

Genau beobachtet wird nun, wie etwa die Betreiber des direkt von dem Preisdeckel betroffenen Handelsplatzes TTF reagieren. Die drohten vor dem Gipfel damit, den Sitz ins EU-Ausland zu verschieben. Sollte der Mechanismus beschlossen werden, müsse man alle Optionen prüfen bis hin zu der Frage, ob ein effektiver Markt in den Niederlanden noch lebensfähig sei, teilte der Betreiber Intercontinental Exchange (ICE) mit.