Das Gleichheitsproblem: Die Gasumlage belastet nur die Gasverbraucher. Foto: dpa /Bernd Weißbrod

Wer den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket für missraten gehalten hat, reibt sich bei der Gasumlage erst recht die Augen. Sie verletzt das Gleichheitsgebot, kommentiert Ursula Weidenfeld.

Die Gasgebühr kommt mit so vielen Geburtsfehlern daher, dass ein Überleben kaum möglich erscheint. Sie dürfte verfassungswidrig sein. Sie verletzt das Gleichheitsgebot. Sie belastet die Bürger willkürlich, kompensiert auf der anderen Seite aber mit dem ganz breiten Pinsel. Doch statt die Sache zu stoppen, soll noch draufgesattelt werden.

Belastet werden nur die Verbraucher von Erdgas

Da ist . . .

. . . erstens: das Gleichheitsproblem. Die Bundesregierung beschließt eine Umlage von rund 2,4 Cent pro Kilowattstunde Gas, um systemrelevante Gasunternehmen vor dem Untergang zu retten. Tue man das nicht, riskiere man den Zusammenbruch der Energieversorgung in Deutschland, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Klima, Robert Habeck, zu Protokoll gegeben. Die Form der Umlage wird gewählt, weil die zusätzlichen Mittel so am Bundeshaushalt vorbei eingenommen werden können. Finanzminister Christian Lindner will schließlich vom kommenden Jahr an die Schuldenbremse einhalten. Die Kosten des Ukraine-Kriegs müssten eigentlich alle Bürger tragen, sie sind ein nationales Risiko. Belastet aber werden nur die Verbraucher von Erdgas. Hätte die Bundesregierung in der Pandemie nach demselben Motto entschieden, hätten allein die Kneipenbesucher die Rettung des Stammtischs bezahlt. Auf die Begründung vor dem Verfassungsgericht darf man gespannt sein.

Auch Unternehmen mit satten Gewinnen haben sich für die Ausschüttung der Gasumlage registriert

. . . zweitens: das Problem der Marktwirtschaft. Nach der Finanzkrise war das Versprechen aller Wirtschafts- und Finanzpolitiker: Nie mehr sollten die Schwachen für die Starken einstehen müssen. Und jetzt? Die Eigentümer und Gläubiger der Gasversorger kommen davon, jedenfalls fürs Erste. Die Aktionäre haben in der Vergangenheit mit ordentlichen Dividenden am Geschäft der Gasversorger verdient, manche profitieren noch jetzt von den Krisengewinnen. Ihr Beitrag zur Rettung aber fällt mehr als mager aus. Schlimmer noch: Auf der Liste der Bundesregierung haben sich auch Unternehmen für die Ausschüttungen aus der Umlage registrieren lassen, die satte Gewinne machen. Gehen diese Pläne auf, hat das mit unternehmerischem Handeln und Marktwirtschaft nicht mehr viel zu tun. Geboten wird dagegen das Trauerspiel „Geschäftsrisiko und Eigentümerhaftung – nicht mit uns“.

Ein drittes Entlastungspaket werde Abhilfe schaffen

. . . drittens: das Geld-zurück-Dilemma. Auch der Staat profitiert von der Umlage. Er wird mehr Mehrwertsteuer einnehmen. Das Geld wolle er aber nicht behalten, versichert Bundeskanzler Olaf Scholz eilig. Man werde es den Menschen zurückgeben. Schon entsteht die nächste Gerechtigkeitslücke, diesmal innerhalb der Kundschaft. Die Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 7 Prozent kommt allen Privatkunden zugute. Von den Preiserhöhungen aber sind die Kunden unterschiedlich betroffen. Und: Unternehmen profitieren in der Regel gar nicht von der Entlastung, weil sie meist keine Umsatzsteuer bezahlen. Da komme noch mehr, ein drittes Entlastungspaket werde Abhilfe schaffen, verspricht die Regierung. Eine Ankündigung, die mehr Angst macht als Hoffnung schafft – zumal man gerne wissen würde, warum eine Gasumlage erhoben wird, wenn sie danach wieder so schnell wie möglich kassiert wird.

Olaf Scholz sollte es machen wie Merkel bei der Osterruhe

. . . viertens: das Spar-Paradox. Auf der einen Seite sollen (und müssen) die Verbraucher merken, wie knapp und teuer das Gas ist. Auf der anderen Seite aber sollen sie es bitte lieber doch nicht spüren, damit sie nicht verzweifeln. Statt sich die Zeit für ein vernünftiges Regime zu nehmen, werden täglich neue Widersprüche zwischen Makrosteuerung (Die Speicherziele werden vor der Zeit erreicht) und Mikromanagement (Waschlappen sind eine brauchbare Erfindung) erzeugt.

Es wird immer deutlicher, dass die Sache so nicht funktioniert. Die „Osterruhe“ in der Coronakrise hielt nur eine Nacht. Danach trat die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor die Öffentlichkeit und entschuldigte sich. Der Bundeskanzler sollte sich ein Beispiel nehmen.