Das Wehr ist in die Jahre gekommen und soll ersetzt werden. Dann wird auch mehr Wasser in den Neckaraltarm fließen. Foto: Werner Kuhnle

Die Anlage soll in ein neues Wehr am Neckar in Freiberg-Beihingen im Kreis Ludwigsburg integriert werden. Naturschützer haben dazu Forderungen.

Wann genau das neue Kraftwerk am Neckar grünen Strom mithilfe von Wasser produzieren wird, steht noch in den Sternen. Die Süwag als künftiger Betreiber streicht heraus, dass die Anlage vor 2028 kaum ans Netz gehen werde. Anrücken werden die Bagger voraussichtlich im Jahr 2025, prognostiziert Andreas Rathgeb vom Wasserstraßen-Neubauamt Heidelberg. Klar ist in jedem Fall, dass bei Freiberg-Beihingen ein Großprojekt umgesetzt werden soll, das auch auf die Natur Einfluss haben wird – und in bestimmter Hinsicht sogar soll.

Fische sollen problemlos wandern können

Ausgangspunkt für alle Überlegungen im Zusammenhang mit dem Vorhaben war der Umstand, dass am Wehr in Beihingen am Abzweig zum Altneckararm der Zahn der Zeit nagt. „Das Wehr verursacht einen erheblichen Unterhaltungsaufwand und muss daher erneuert werden“, sagt Andreas Rathgeb.

Dabei müssten auch aktuelle Vorgaben zur ökologischen Durchgängigkeit beachtet werden. „Wir müssen eine Fischaufstiegsanlage einbauen, damit die Fische sich problemlos von A nach B bewegen können“, erläutert der Projektleiter. Damit Barsch, Hecht und Co. aber im ökologisch sehr wertvollen Altneckararm nicht plötzlich auf dem Trockenen sitzen, sei überdies sicherzustellen, dass mindestens zehn Kubikmeter Wasser pro Sekunde dorthin abgeleitet werden.

Im bestehenden Kraftwerk kommt weniger Wasser an

Ein Punkt, an dem die neue Anlage der Süwag ins Spiel kommt, die in das Wehr integriert werden soll. Denn was den Fischen nützt, hat einen nachteiligen Effekt für das Kraftwerk des Konzerns im weiteren Verlauf des Flusses in Pleidelsheim. Die Pressesprecherin Tanja Ackermann gibt zu bedenken, dass dort besagte zehn Kubikmeter künftig nicht mehr ankommen, ergo weniger Wasserkraft in Energie umgewandelt werden könne.

„Um diese Erzeugungsmenge auszugleichen, ist das Restwasserkraftwerk am neuen Wehr geplant“, erläutert Tanja Ackermann. Der eher umständliche Name der Konstruktion rührt denn auch daher, dass eben nur eine bestimmte Menge an Wasser abgeschöpft wird.

Strom für die Region

Technisch gesehen werde die Höhendifferenz zwischen dem eingestauten Teil des Neckars und dem darunter liegenden Altarm genutzt, um die Wucht des herabfließenden, durchgelassenen Wassers in Energie umzuwandeln, erklärt der Projektleiter Andreas Rathgeb. Man wolle so rund vier Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen, ergänzt Tanja Ackermann. „Der erzeugte Strom wird in der Region zur Verfügung stehen“, versichert die Pressesprecherin.

Bewilligung steht noch aus

Zunächst einmal braucht das Vorhaben jedoch den Segen der Behörden. „Wir befinden uns gerade noch in der wasserrechtlichen Bewilligung für das Restwasserkraftwerk in Beihingen“, berichtet die Süwag-Sprecherin. Das Verfahren laufe bereits seit Juli 2021. Am 9. März werden im Landratsamt die Einwendungen aufgearbeitet.

Nistplatz für gefährdete Vögel

Ein Termin, den gewiss auch Naturschützer mit Interesse verfolgen werden. Denn sowohl der BUND-Kreisverband als auch der Landesnaturschutzverband (LNV) haben Anregungen zu dem Projekt. „Grundsätzlich begrüßen wir es, wenn künftig mehr Wasser in den Neckaraltarm abgeleitet wird und damit die Fischpopulationen gesichert werden“, sagt Conrad Fink, Naturschutzexperte beim BUND-Kreisverband. BUND und LNV sorgen sich aber um die ökologisch wertvollen Muschelkalk- und Kiesbänke im Altarm. „Die Inseln sind ein wichtiges Nahrungsbiotop für Zugvögel und Nistplatz für gefährdete Brutvögel wie etwa den Flussregenpfeifer.“ Außerdem dienten sie der Ablage von Laich und als Lebensraum für Jungfische und kleine Wassertiere, welche wiederum Nahrungsgrundlage für Fische und Vögel seien, sagt Fink. Würden die Kiesbänke durch das Mehr an Wasser ausgespült oder dauerhaft überflutet, schade das dem Ökosystem. Zumal nach den Erkenntnissen der Naturschützer bestimmte Fischarten am ausgebauten Neckar nur noch an diesen Kiesformationen zu laichen imstande sind. „Wir fordern deshalb ein sogenanntes Geschiebemanagement“, erklärt Fink.

Naturschützer haben einen Vorschlag

Das bedeute, dass der bei Hochwasser ausgespülte Kies im Unterlauf des Altneckars bei Pleidelsheim ausgebaggert und oberhalb des neuen Wehrs wieder eingefüllt würde. Früher sei Kies aus der Fahrrinne oberhalb des Altarms eingelassen worden. Verschlechtere sich die Situation der Inseln, solle auch der Wasserabfluss entsprechend reguliert werden.

Landratsamt hat Kiesinseln im Blick

Ob das gewünschte Geschiebemanagement tatsächlich zum Einsatz kommt, kann das Landratsamt Ludwigsburg aktuell nicht sagen und verweist auf das noch laufende wasserrechtliche Verfahren. Der Pressesprecher Andreas Fritz betont allerdings, dass man die Kiesinseln und ihre wichtige Funktion auf dem Schirm habe: „Im Vorfeld wurde daher eine Mindestwassermenge von zehn Kubikmetern pro Sekunde ermittelt, die sowohl die Belange der Fische als auch der Kiesbrüter ausreichend berücksichtigt.“

Anregungen werden aufgearbeitet

Erörterung
 Die Öffentlichkeit wird an dem Genehmigungsverfahren zum Bau des neuen Kraftwerks beteiligt. Es konnten dazu Einwendungen und Stellungnahmen abgegeben werden. Bei einem Erörterungstermin am Donnerstag, 9. März, werden die Anregungen von 14.30 Uhr an im Landratsamt Ludwigsburg aufgearbeitet.

Geld
 Wie viel Geld die Süwag für das Kraftwerk in die Hand nehmen muss, dazu könne man noch keine Schätzung liefern, teilt der Konzern mit. Das neue Wehr samt Fischtreppe dürfte rund 60 Millionen kosten, erklärt Andreas Rathgeb vom zuständigen Wasserstraßen-Neubauamt Heidelberg. Das alte Wehr wird abgerissen, wenn das neue fertiggestellt ist.