Sie waren jung, schwarz und das brutale Geschubstwerden leid: die Mitglieder der in Oakland gegründeten Black Panthers Foto: Stephen Shames

Der Schlachtruf hieß nicht „Black Lives Matter“, sondern „Black Power““: Ab 1966 wollte sich die Black Panther Party zur Not auch mit Waffen gegen weiße Polizeigewalt und Alltagsrassismus wehren. Eine zweiteilige TV-Dokumentation bei Arte zeigt, wie die Bewegung wuchs und wie das FBI gegen sie vorging.

Stuttgart - Viele Europäer finden das höchst befremdlich: Die US-Verfassung garantiert das Recht auf Waffenbesitz. Viele Gesetze der einzelnen Bundesstaaten leiten daraus ab, dass Bürger ihre Waffen im öffentlichen Raum stets bei sich führen dürfen, falls sie das gut sichtbar tun. Die Nachrichtenbilder aus der Ära Trump zeigen denn auch immer dreister und immer martialischer auftretende rechte Milizen, die mit umgehängten Sturmgewehren sogar als bedrohliche Besucher von Parlamentsdebatten aufmarschieren oder am Rand von Demonstrationen politischer Gegner Präsenz zeigt wie eine Soldateska, die auf den unmittelbar bevorstehenden Einsatzbefehl wartet.

Grundrecht – aber nicht für alle

Bei Arte kann man nun sehen, wie Amerikas Konservativen ein Licht aufgeht. „Wir müssen die Gesellschaft vor bewaffneten Durchgeknallten schützen“, mahnt einer von ihnen eindringlich. Ein anderer befindet: „Wenn sich Banden Bewaffneter mit geladenen Waffen auf unseren Straßen bewegen und die Bürger einschüchtern und verängstigen, dann müssen wir einschreiten.“

Leider sind das keine aktuellen Bilder in der zweiteiligen Dokumentation „Black Panthers“. Aktuell finden die Republikaner das Treiben offen rassistischer, teils mit Nazisymbolen geschmückter Milizen noch immer eine erhebende Grundrechtsausübung. Die mahnenden Stimmen stammen aus dem Jahr 1966, als ein paar Afroamerikaner in Kalifornien plötzlich das amerikanische Grundrecht für sich in Anspruch nahmen, bewaffnet und in einer Art Uniform in der Öffentlichkeit aufzutreten.

Kontrolle der Kontrolle

In Oakland, wo die Polizei besonders schikanös mit „Farbigen“ umging, wie man damals sagte, hatte sich eine schwarze Selbstschutzgruppe gebildet. Mit mehreren Bewaffneten pro Auto folgten diese Black Panthers den Streifenwagen der Polizei. Hielten die Cops an, um einen Afroamerikaner zu kontrollieren, stiegen die Panther aus, luden ihre Waffen durch und beobachteten die Kontrolle aus nicht zu tadelndem Abstand. Jeder Cop aber wusste, dass der kleinste Übergriff nun zu einer wilden Schießerei führen würde.

Der schon 2015 entstandene Zweiteiler des afroamerikanischen Dokumentaristen Stanley Nelson liefert einen guten Abriss der Black Panther Party. Er zeigt ihre unterschiedlichen Ansätze – Selbstschutztruppe, bürgerliches Selbsthilfenetzwerk, außerparlamentarische Opposition, paradox sichtbare Untergrundarmee und Speerspitze der angeblich kommenden Weltrevolution mitten im Herzen des Imperialismus. Nelson erzählt von Prozessen der Radikalisierung und von übergroßen Egos, aber auch von der bewussten Zersetzungskampagne durch das FBI.

Hoffen auf die Eskalation

Dessen erzreaktionärer Chef J. Edgar Hoover und mancher lokale Polizeipräsident sehnten sich gerade zu nach dem Ausrasten des ein oder anderen Panthers, um hart zuschlagen und schwarzes Selbstbewusstsein exemplarisch abstrafen zu können. Einige Einsätze gegen die Black Panthers folgte der Methodik von Todesschwadronen, und mancher Panther schoss auf Polizisten, als seien sie legitime Ziele in einem nun offen erklärten Bürgerkrieg.

Doch parallel zu Gewaltakten, das wird gerne vergessen, versuchte die Mehrheit der Black Panthers noch immer, schwarzen Stolz und schwarze Selbstachtung zu erzeugen – in einem Land, in dem auch ein Friedfertigkeit predigender schwarzer Bürgerrechtler wie Martin Luther King früher oder später von einem Heckenschützen niedergestreckt wurde – die moderne Form des Lynchens.

Interviews mit Veteranen

Aber „Black Panthers“ liefert eben mehr als eine interessante Geschichtsstunde, sondern rückt die aktuellen Debatten zurecht. Die Heuchelei jener Konservativen, die Waffen zum Freiheitsgaranten erklären, aber keine Waffen in den Händen von Afroamerikanern dulden möchten, wird hier besonders offenbar. Und so wird einem die enorme Frustration jener Afroamerikaner noch verständlicher, die keine Hoffnung mehr auf eine friedliche Änderung der Verhältnisse haben.

Besonders eindrucksvoll an Nelsons Film: die Interviews mit Panther-Veteranen, die alles andere als einen Chaoten-Eindruck machen und die Lage damals und heute ganz anders reflektieren als jene weißen Tarnfleckenträger, die über ein paar aggressiv gegrölte Parolen nicht hinauskommen.

Ausstrahlung: Arte, Dienstag, 20. Oktober 2020 um 20.15 Uhr; 23. Oktober 2020 um 09.40 Uhr; 18. November 2020 um 09.30 Uhr. In der Mediathek des Senders bereits vorab abrufbar und bis zum 15. Oktober 2021 verfügbar.