Rückraumspielerin Xenia Smits und die deutschen Handballfrauen finden noch zu selten die Lücken in den gegnerischen Abwehrreihen. Foto: dpa/Bo Amstrup

Aus Punkte-Sicht ist für die deutschen Handballfrauen noch alles drin, doch die Art und Weise der bisherigen EM-Auftritte stimmt bedenklich. Was muss in der Hauptrunde alles besser werden?

Stuttgart - Vielleicht helfen ja auch diese Momente der Zerstreuung. Endlich durften die deutschen Handballfrauen mal raus aus ihren Hotelzimmern im dänischen Kolding. Ein Ausflug in eine Parkanlage mit einem Abenteuer-Spielplatz stand nach dem Einzug in die EM-Hauptrunde auf dem Programm. „Das war unser Highlight“, erzählte Linkshänderin Maren Weigel. Weitere sportliche Höhepunkte sollen gegen Ungarn (Samstag, 16 Uhr), die Niederlande (Montag, 18.15 Uhr) und Kroatien (Dienstag, 18.15 Uhr/alle im Internet auf Sportdeutschland.tv) folgen.

Beste Spielerinnen im Kader

Bundestrainer Henk Groener hat zwar die besten Spielerinnen, die Deutschland zu bieten hat, im Kader. Und mit zwei Punkten ist die Ausgangsposition mit Blick auf eine Halbfinal-Teilnahme auch passabel, doch die Art und Weise der Auftritte stimmt bedenklich. Dass keine gezielte Vorbereitung auf die EM möglich war, darf keine Ausrede sein, die Pandemie traf alle Nationen. „Blamabel“, nennt deshalb Herbert Müller, Trainer-Routinier des Bundesligisten Thüringer HC, die bisherigen Darbietungen. Als „Offenbarungseid“ bezeichnet sie Ex-Bundestrainer Dago Leukefeld. Klar ist: In so gut wie allen Bereichen muss eine Steigerung her.

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Tor: Mit ihren blitzschnellen Reflexen stieg Dinah Eckerle bei der WM 2019 zu einer der begehrtesten Torhüterinnen der Welt auf. Bei dieser EM ist die gebürtige Leonbergerin noch nicht richtig im Turnier angekommen. Wie ihre Torwartkollegin Isabell Roch und die komplette Mannschaft hofft sie, dass es genau andersherum läuft als bei den Titelkämpfen vor einem Jahr in Japan: Damals hatte das deutsche Team stark begonnen, baute aber im Laufe des Turniers immer mehr ab.

Abwehr: Eine starke Deckung und damit verbundene einfache Tempogegenstoßtore sollten einer der Trümpfe sein. Doch vor allem der Abwehr-Innenblock wirkt bis jetzt langsam, unbeweglich und in den Zweikämpfen zu passiv, zu wenig aggressiv. Der gegnerische Angriff wird viel zu selten unter Druck gesetzt, die Passwege nicht konsequent zugelaufen. Es wird zu viel reagiert, zu wenig agiert.

Angriff: Das allergrößte Manko im deutschen Spiel verbindet das Frauen-Nationalteam mit dem der Männer: Es fehlt an einer guten Spielsteuerung, an einer gewieften Spielmacherin, die auf Rückraummitte die Fäden zieht, eine Idee für die Mitspielerinnen hervorzaubert oder mit einem explosiven Schritt in die Tiefe Überzahl herstellt. Kapitänin Kim Naidzinavicius läuft ihrer Form hinterher. Die noch relativ unerfahrene Alina Grijseels macht es in der Schaltzentrale bislang noch am besten. Dennoch geht im Angriffsspiel zu viel nach „Schema Eff“.

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„Es mangelt an Leichtigkeit, an Vielfalt, an Improvisation“, hat Herbert Müller festgestellt. Für den gebürtigen Rumänen, der mit dem Thüringer HC sieben deutsche Meistertitel feierte, kein neues Phänomen: „Wir Deutschen sind Kämpfer, harte Arbeiter. Wir brauchen klare Konzepte, über Automatismen holen wir uns unser Selbstbewusstsein.“ Für Dago Leukefeld liegt dies nicht nur an den Genen, sondern auch an der nicht optimalen Ausbildung: „Zu Zeiten einer Welthandballerin wie Nadine Krause oder Maren Baumbach waren wir da besser“, sagt der ehemalige Bundestrainer. „Wir müssen viel mehr Zeit in die individuellen spielerischen Qualitäten investieren. Dafür brauchen wir eine Traineroffensive für den Nachwuchsbereich.“

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Kurzfristig aber benötigt und lechzt der Frauenhandball geradezu nach Erfolgen mit dem aktuellen Nationalteam. Noch ist es möglich, sich bei dieser EM ins Rampenlicht zu spielen – aber nur mit einer gewaltigen Steigerung in allen Bereichen.

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