Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk löst heftige Diskussionen über die Zukunft des Kurznachrichtendienstes aus. Viele befürchten, dass die Zahl der Hassbotschaften zunehmen könnte, dem will die EU allerdings Einhalt gebieten. Foto: AFP/CONSTANZA HEVIA

Brüssel will mit dem Gesetz über digitale Dienste Hassbotschaften im Internet eindämmen. Nach dem Verkauf des Kurznachrichtendienstes an den Multimilliardär Elon Musk könnte die erste spektakuläre Bewährungsprobe bevorstehen.

Die Internetgemeinde steht Kopf. Seit Elon Musk für rund 44 Milliarden Dollar (44,2 Mrd Euro) den Kurznachrichtendienst Twitter gekauft hat, wird in den sozialen Medien über die Zukunft der Plattform spekuliert. Viele befürchten eine Verrohung des Tons und sind besorgt, dass der Eigentümerwechsel zu noch mehr Hassbotschaften, Hetze und Desinformationen führt.

Doch es gibt einen ruhenden Pol in dieser medialen Aufregung: die Europäische Union. EU-Industriekommissar Thierry Breton warnte Musk per Tweet, den Kurznachrichtendienst zu einer unregulierten Plattform zu machen: „In Europa wird der Vogel nach unseren EU-Regeln fliegen“. Breton bezieht sich dabei auf das sogenannte Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA), eine Regelung, mit dem die EU die digitale Welt bändigen will. Dabei gilt ein grundlegendes Prinzip: Was offline illegal ist, soll es auch online sein. Dazu gehören Hassreden, Gewaltaufforderungen und auch Terrorpropaganda. Konkret heißt das, dass die Unternehmen diese illegalen Inhalte zügig entfernen müssen, wenn sie darüber informiert werden.

Twitter muss sich an EU-Recht halten

Andreas Schwab ist überzeugt, dass das EU-Gesetz seine Wirkung nicht verfehlen wird. „Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk wird nichts daran ändern, dass Twitter sich an deutsches und europäisches Recht halten muss“, sagt der CDU-Europaparlamentarier, der an den EU-Gesetzen zur Regulierung des Internets maßgeblich mitgearbeitet hat. Der DSA schaffe „klare Regeln für Online-Inhalte – was illegal ist, muss runtergenommen werden. Das gilt auch für Twitter.“

Probleme sieht Andreas Schwab allerdings bei gefährlichen, aber nicht illegalen Inhalten wie Fake News. Er erinnert daran, dass Donald Trump von Twitter gesperrt wurde, weil dieser immer wieder gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen hat. Aus diesem Grund bejubelte der ehemalige US-Präsident die Übernahme des Kurznachrichtendienstes durch Musk. Für den ehemaligen Präsidenten war Twitter ein wichtiges Instrument, er regierte sogar mitunter per Twitter. Legendär ist, dass etwa sein Außenminister Rex Tillerson aus einem Tweet des Präsidenten von seiner Entlassung erfuhr. Doch Trump könnte sich zu früh gefreut haben. Der exzentrische Multimilliardär Musk twitterte, dass er einen „Content Moderation Council“ einrichten werden, der offensichtlich über die Vorgänge auf der Plattform wachen soll. „Vor der Einberufung dieses Rates werden keine größeren Inhaltsentscheidungen oder Account-Wiederherstellungen getroffen“, schreibt Elon Musk.

Elon Musk will mit Twitter Geld verdienen

Andreas Schwab ist auch überzeugt, dass der US-Geschäftsmann Twitter allein aus kommerziellen Gründen nicht „zu einem Abgrund verkommen lassen“ werde. Die Plattform soll ja ein „attraktiver Ort für Werbedienstleister werden“, sagt der CDU-Politiker. „Musk wird auch weiter gewisse Community-Richtlinien für gefährliche Inhalte wie Hasskommentare oder Falschinformationen zu Impfungen oder Klimawandel durchsetzen.“

Und dann erinnert Andreas Schwab an eine weitere Regelung durch den Digital Services Act. Denn für besonders große Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen Nutzern in Europa – wozu Twitter zählen könnte - würden besondere Verpflichtungen gelten. Mit Blick auf schädliche Inhalte müssen sie einmal jährlich eine Risikobewertung vorlegen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen vorschlagen. Diese Berichte werden von der EU-Kommission und Außenstehenden geprüft. Außerdem sollen Forscher Zugang zu Daten bekommen, die etwa bestimmen, was Nutzer in ihrem Newsfeed als Nächstes sehen.

Strenge Regeln sorgen für Transparenz

Für diese besonders großen Plattformen gelten auch in Sachen Werbung strengere Regeln, unterstreicht Andreas Schwab. „Twitter müsste die Vorschriften über die Transparenz von Werbung einhalten“, sagt der Europaparlamentarier, „was im Lichte der Verkündung Musks, Twitter zu einer Werbeplattform machen zu wollen, besonders relevant würde.“

Über viele Jahre wurde in Brüssel daran gearbeitet, zumindest die Wild-West-Auswüchse im Internet zu zügeln. Die neuen Regeln wurden nicht nur in der Europäischen Union als großer Schritt in die richtige Richtung gefeiert. Nun könnte es zwischen Elon Musk und der Europäischen Union bald zum ersten spektakulären Showdown kommen. Allerdings versucht auch Musk, die Wogen zu glätten. Twitter dürfe kein „Ort des Grauens“ werden, wo ohne Konsequenzen alles gesagt werden könne, schrieb er in einem offenen Brief an Anzeigenkunden. Der Dienst müsse „warm und einladend für alle“ sein.