Philipp Grubauer hat mit den Seattle Kraken die Play-offs in der NHL verpasst – nun glänzt der Rosenheimer bei der WM im deutschen Tor. Foto: IMAGO/ActionPictures

Der deutsche Torhüter Philipp Grubauer überragt beim 2:1 über die Slowakei und zählt bei der Eishockey-WM zu den Profis, die den Unterschied ausmachen. Nun geht es gegen Frankreich.

Die härteste Aufgabe hatte Philipp Grubauer nach dem Spiel gegen die Slowakei vor sich – den Weg in die Kabine. „Die Strecke ist einen Kilometer lang“, sagte der Torhüter der deutschen Mannschaft halb im Scherz, „in der Halle ist es brutal warm, das Eis weich, das macht es für einen Torhüter anstrengend. Ich konnte am Ende kaum mehr stehen.“ Schließlich hat Grubauer als Goalie auf dem Marsch rund 20 Kilogramm Ausrüstung am Körper mit sich zu tragen, ein Feldspieler muss nur etwa sieben Kilogramm schleppen. Und der Mann im deutschen Tor hatte im zweiten WM-Spiel gegen die Slowaken beim 2:1-Erfolg 60 Minuten lang Schwerstarbeit zu verrichten. 29 Schüsse kamen auf seinen Kasten, nur einmal wurde der Rosenheimer von Kristian Pospisil bezwungen – sodass selbst Siegtorschütze Leo Pföderl mächtig von seinem Goalie beeindruckt war: „Da kommen Schüsse aufs Tor, und du denkst dir: Leck mich am Arsch – und der Grubi lacht sich nur kaputt.“

Natürlich wurde der 30-Jährige zum Mann des Spiels gewählt, und in der Online-Abstimmung des Weltverbandes IIHF von den Fans neben dem Finnen Mikael Granlund auch zum Spieler des Tages gekürt. Das Lob des Bundestrainers fiel noch recht nüchtern aus, weil Toni Söderholm daran gelegen war, nicht allein die Leistung der Goalies herauszustellen. „Er hat sehr, sehr stark gehalten“, sagte der Finne und man sah ihm die höchste Anerkennung für Grubauers Paraden an, „das war fast das temporeichste Spiel, das ich mit der Nationalmannschaft erlebt habe.“ Routinier Matthias Plachta, der Torschütze zum 1:0, war da schon euphorischer: „Unser Torhüter hat unwirklich gespielt. Er hat den einen oder anderen Unmöglichen noch rausgeholt. Er strahlt unglaubliche Ruhe aus, was der Mannschaft sehr hilft.“

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Philipp Grubauer kennt das Gefühl, im Auge eines Sturms zu stehen, in dem einem die kleinen Hartgummischeiben um die Ohren fliegen. Zum Beispiel, wenn der Bayer bei den Seattle Kraken in der NHL im Tor steht. Der Club von der Westküste der USA war zu Beginn dieser Saison als 32. Mannschaft in die Eliteliga des Eishockey aufgenommen worden. Der Deutsche wechselte von Titelfavorit Colorado Avalanche nach Seattle („die Stadt ist eine Mischung aus Vancouver und dem Gardasee“), weil ihm beim zweimaligen Stanley-Cup-Sieger nach Ablauf des Vertrages kein adäquates Angebot vorgelegt worden war. Dabei hatte Grubauer eine herausragende Saison bei Avalanche gespielt und zählte mit einer Fangquote von 92,2 Prozent zu den Anwärtern auf die Vezina Trophy für den besten Torhüter; am Ende wurde er Dritter. Ohne Vertrag war der Nationalspieler als Free Agent auf dem Markt, er unterschrieb für sechs Jahre und 34 Millionen Euro beim NHL-Neuling, weil er dort „die Chance sah, etwas Neues zu beginnen und Geschichte zu schreiben“.

Mit den Washington Capitals hatte der Rosenheimer 2018 den Stanley-Cup gewonnen, bei den Kraken zählte Grubauer schnell zu den Führungsspielern; er feierte im Oktober 2021 gegen die Vancouver Canucks den ersten Shutout (4:0), war Turm im Duell beim 5:3 über Spitzenreiter Florida Panthers im Januar und ärgerte den Ex-Club aus Denver beim 3:2 Ende April – doch die Play-offs verpasste der Club aus Seattle deutlich. „Damit sind wir nicht zufrieden. Unser Ziel lautet, nächstes Jahr die Play-offs zu erreichen“, sagte der Profi mit 269 NHL-Einsätzen, „es ist das erste Mal in meiner NHL-Karriere, dass ich nicht in den Play-offs spiele.“

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Schlecht für den Profi, gut für den Bundestrainer und die deutschen Eishockey-Fans, die deshalb mit Grubauer für die WM in Finnland rechnen konnten – die Krake aus Seattle fährt auch in Helsinki ihre Fangarme aus. „Ich sage jedes Jahr: Wenn mich Toni anruft, werde ich immer dabei sein und das deutsche Trikot mit Stolz tragen“, meinte der Goalie vor der WM, „dass ich von Anfang an bei der WM dabei sein kann, noch dazu in einer jungen Truppe, freut mich sehr.“

Überragende Leistung hin, bärenstarker Auftritt her – noch ist für das deutsche Team nichts gewonnen. An diesem Montag (19.20 Uhr/Sport 1) geht es gegen Frankreich. „Diese drei Punkte sind nur was wert, wenn wir auch gegen Frankreich was holen“, warnte Kapitän Moritz Müller. Ein großartiger Philipp Grubauer allein reicht bei der WM nicht aus, um ins Viertelfinale einzuziehen. Oder womöglich noch weiter zu kommen.