Die Zeiten waren schon einfacher für das Bäckerhandwerk. Doch sowohl Einzelkämpfer als auch expandierende Unternehmen blicken optimistisch in die Zukunft.
Energiekrise, knappe und teure Rohstoffe, steigende Personalkosten oder Personalmangel. Die Zeiten waren schon einmal einfacher für das Bäckerhandwerk. „Jeder Betrieb muss kämpfen und ist gefordert, die momentanen Bedingungen mit in seinen Kalkulationen zu berücksichtigen, wir können aber nicht sagen, dass es aus diesen Gründen in unserer Region zu Schließungen gekommen ist“, sagt Frank Sautter, der Geschäftsführer der Bäckerinnung Alb-Neckar-Nordschwarzwald, wozu auch der Kreis Böblingen gehört.
Wo der Schuh allerdings extrem drückt, ist der Facharbeitermangel, das Bäckerhandwerk tut sich enorm schwer, Azubis oder Mitarbeiter zu finden. 19 Betriebe gibt es im Landkreis Böblingen, 28 in der Region Ludwigsburg. Darunter gibt es die Einzelkämpfer, und es gibt Unternehmer, die auf ein Filialkonzept bauen.
Was macht den erfolgreichen Einzelkämpfer aus? Joachim Renz ist in Weil der Stadt ein erfolgreicher Einzelkämpfer, betreibt in der Unteren Klostergasse „die kleinste Backstube im Kreis Böblingen“, wie er sagt. Die familiäre Traditionsbäckerei und Konditorei sowie das Café gibt es in der Unteren Klostergasse seit 1930. Renz weiß allerdings auch, dass in Deutschland pro Tag eine Bäckerei von der Bildfläche verschwindet. „In den vergangenen zwei Jahren haben im Kreis Böblingen drei geschlossen, weil sie keinen Nachfolger hatten, das fällt allerdings nicht so auf, weil größere Bäckereien dort eine Filiale eröffnet haben“, sagt Renz, der 23 Jahre lang Vorstand der Bäckerinnung war – erst im Altkreis Leonberg, dann in Böblingen, als es dort noch eine eigenständige Innung gab.
Der 55 Jahre alte Bäcker- und Konditormeister sieht die Situation seines Berufsstandes keineswegs dramatisch. Im Gegenteil. „Klar, die Energiekosten sind gestiegen, und die Suche nach ausgebildeten Fachkräften ist ein großes Problem, doch das Geschäft läuft“, sagt Renz, der schon vor einigen Jahren Energiesparmaßnahmen getroffen hat. Sämtliche Glühbirnen in seinem Betrieb tauschte er gegen LEDs aus, über dem Ofen baute er einen sogenannten Wärme-Hamster ein, der die heißen Gase über eine Leitung in einen Behälter lenkt, wo mit dieser Abwärme das Wasser für die Spülmaschine auf 60 Grad erhitzt wird.
Joachim Renz setzt weiterhin auf Qualität, günstigere Backwaren im Supermarkt fürchtet er nicht. „In meinem Teig sind weniger Zutaten.“ Auf Zusatzstoffe, die für Frischhaltung sorgen, verzichtet der Meister. Dafür lässt er seine Teige länger ruhen, was wiederum für ein gutes Aroma, gute Stabilität und bessere Verträglichkeit sorgt. Bei der Herstellung seiner Brezeln legt er beim Schlingen des Gebäcks größten Wert auf Handarbeit. Wie es mit seinem Betrieb weitergehen wird, wenn er selbst das Rentenalter erreicht, weiß er noch nicht. Er kann sich aber gut vorstellen, dass vielleicht eine seiner beiden Töchter den Betrieb übernehmen wird.
Ein expandierender Familienbetrieb Von Endzeitstimmung ist auch bei Bäcker- und Konditormeister Matthias Raisch absolut nichts zu spüren. Wenn er vom Familienbetrieb in Calw-Oberrieth erzählt, den er mit Bruder Maximilian und Vater Udo gemeinsam leitet, wo die Schwester für das Marketing zuständig ist und auch die Mutter mit im Boot ist, ist die Leidenschaft für seinen Beruf zu spüren. Der 29-Jährige erzählt mit großer Begeisterung über die aktuellen und anstehenden Projekte.
Eines davon war im vergangenen Jahr die Filialeröffnung in der Siemensstraße 10 in Ditzingen. „Die Nachfrage nach Backwaren ist hoch, der Standort dort perfekt mit Durchgangsverkehr und genügend Parkplätzen“, sagt Raisch. Die nächste Filiale wird noch in diesem Jahr in Friolzheim eröffnet. „Aldi hat uns gefragt, ob wir das machen wollen.“ Auch in Weil der Stadt und Merklingen ist der Name Raisch bereits vertreten. Derzeit hat der mittelständische Betrieb 30 Standorte und insgesamt 620 Mitarbeiter. Er bietet nicht nur Backwaren an, sondern betreibt auch Cafés.
„Die steigenden Energiekosten spüren wir auch, doch durch technische Maßnahmen wie Photovoltaik und eine Wärmerückgewinnungsanlage sind wir auf dem neuesten Stand, und die Auswirkungen sind nicht ganz so massiv.“ Die zuletzt erforderlichen Preiserhöhungen tragen die Kunden mit „weil sie auf Qualität Wert legen“.
Schon lange plant das Unternehmen für die Zukunft. Im Sommer eröffnet am Hauptstandort in Calw-Oberrieth die neue Backstube. Auch sie ist energetisch auf dem neuesten Stand. „Dort wollen wir in neuen Schulungsräumen selbst Mitarbeiter ausbilden oder auch Backkurse für die Kundschaft anbieten.“ Befürchtungen, dass sich Bäcker und Konditor selbst überflüssig machen, weil die Kunden Backwaren nur noch selbst produzieren, hat Matthias Raisch nicht. „Die Kunden erkennen, wie aufwendig es ist, Backwaren herzustellen, und lernen das Handwerk besser schätzen.“
Viel Disziplin gehöre dazu, solch ein Unternehmen zu führen, sagt der Jungunternehmer. Und jede Menge Leidenschaft, die bei Matthias Raisch zu spüren ist. Er selbst ist geprüfter Brot-Sommelier. Bruder Maximilian ist Bäcker- und Konditormeister und sucht neben seiner täglichen Arbeit in der Backstube die Herausforderung mit anderen Kollegen. Er war 2018 Brotweltmeister und Vize-Weltmeister der Bäcker. 2021 hatte die Bäckerei Raisch ihr 30-Jahr-Jubiläum. „Unsere Eltern haben uns den Spaß am Bäcker- und Konditorhandwerk vorgelebt, wir sind alle freiwillig ins Unternehmen eingestiegen“, sagt Matthias Raisch.
Aufwendige Bürokratievorgaben der EU Einzelkämpfer wie der Kollege Renz in Weil der Stadt ist auch Steffen Marquardt mit seiner Bäckerei und Konditorei in der Eltinger Carl-Schmincke-Straße. Er führt in vierter Generation den Betrieb, den es seit 1879 gibt. Filialen hat er keine. „Ich habe hier alles beisammen.“ Die Energiekrise bekommt der 50-Jährige stark zu spüren, weil er bislang das Thema alternative Energieformen eher außen vor gelassen hat. „Ich hoffe, dass sich die Energiepreise wieder normalisieren.“
Was Marquardt beschäftigt, sind die aufwendigen Bürokratievorgaben der EU. „So mussten wir beispielsweise eine Liste mit sämtlichen Allergenen erstellen, die im Laden ausliegt und die keinen Kunden interessiert.“ Trotz der momentanen Herausforderungen schaut er optimistisch nach vorne. „Wenn nicht noch eine richtige Krise kommt, wird es auch in Zukunft weitergehen.“