Sabine Hagmann rät, Energiesparpotenziale genau zu prüfen. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Was kann der Einzelhandel in der Energiekrise tun? Sabine Hagmann vom Handelsverband Baden-Württemberg spricht über Strategien – und drohende Risiken.

Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des Handelsverband Baden-Württemberg, spricht über Strategien im Handel angesichts der Energiekrise.

Frau Hagmann, was empfiehlt der Handelsverband seinen Mitgliedern, um angesichts der Energiekrise gut bestehen zu können?

Unsere Empfehlungen ergeben sich logisch aus den Möglichkeiten des Einzelnen. Das heißt, alle Optionen der Vertragsgestaltung mit den Energieversorgern zu prüfen. Wir bieten auch eine Energiekrisenberatung sowie im Vorfeld eine Strompreisprüfung durch einen Experten an, der die Optionen auf dem Markt kennt. Dabei geht es über den Stromvertrag oder die Gespräche mit dem Vermieter oder Energieträger hinaus darum, welche Einsparpotenziale es noch gibt. Wir empfehlen, schnelle Einsparmöglichkeiten sofort zu prüfen und anzugehen. Das kann die Abschaltung eines Aufzugs sein, die frühere Abschaltung oder Teilreduzierung von Außenbeleuchtung oder auch eine Reduzierung der Öffnungszeiten, aber hier ist Vorsicht geboten. Soweit die kurzfristigen Potenziale umgesetzt sind, muss geprüft werden, wo mittelfristige oder langfristige Einsparmöglichkeiten realisiert werden können. Das hat im Regelfall mit Investitionen zu tun. Auch hier stößt man schnell an Grenzen. Zum einen hat der Handel in den letzten Jahren große Investitionen getätigt, etwa in LED-Beleuchtung. Zum anderen ist aber auch klar, dass nach den letzten drei Jahren die liquiden Mittel bei vielen Händlern aufgebraucht sind.

Haben denn Händler ihre Öffnungszeiten bereits reduziert? Sehen Sie darin auch Gefahren für den Standort?

Ja, viele Händler haben Öffnungszeiten geprüft und reduziert, öffnen etwas später, schließen gegebenenfalls etwas früher, manche haben einen Tag in der Woche Ruhezeit. Die Gefahr ist hier, dass Umsatz verloren geht und die Frage ist, ob man sich das leisten kann. Viele Händler können sich das nicht leisten, weder kurz- noch langfristig.

Wie schwer ist es, geänderte Zeiten wieder zurückzunehmen?

Die Zeiten zurückzunehmen ist kein Problem, wenn man noch die Mitarbeiter hat, um die Zeiten zu bedienen. Die große Frage ist aber, wie viele Kunden haben deshalb ihr Einkaufsverhalten geändert und sich eine andere Einkaufsstätte gesucht? Diese und den verloren gegangenen Umsatz zurückzuholen ist nicht einfach.

Wie wichtig wäre es, sich abzusprechen bei den Öffnungszeiten?

In einer Innenstadt wäre es immer gut, wenn alle dieselben Öffnungszeiten hätten und die Innenstadt wie ein Einkaufscenter ticken würde. Dort ist das per Vertrag geregelt, und alle sind an die Öffnungszeiten gebunden. Aber das funktioniert in einer Innenstadt nicht. Der Kunde, der Schmuck oder auch Bekleidung einkaufen will, tut dies regelmäßig zu anderen Zeiten als derjenige, der etwa in der Markthalle einkaufen will.

Wie blicken Sie auf das Jahr 2023? Wird es ein schwieriges für den Einzelhandel?

Man muss immer mit Optimismus in die Zukunft blicken. Und so funktionieren Händler auch. Aber das Jahr wird für die gesamte Wirtschaft und besonders den Einzelhandel und die Konsumbranchen erneut eine Herausforderung. Es ist die Kumulation außerordentlich vieler Herausforderungen in Verbindung mit drei nicht einfachen bis schwierigen Jahren und einem Blick in eine politische und gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die schwer einzuschätzen ist. Doch ich glaube an meine innovativen Einzelhändler.

Politische Vertretung für Betriebe

Person
 Sabine Hagmann ist Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg (HBW), der die politischen Interessen von gut 40 000 Betrieben vertritt.

Branche
 Der Handel stellt laut HBW den drittgrößten Wirtschaftszweig in Baden-Württemberg dar mit 500 000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern.