Vor diesen ABC-Schützen liegt eine spannende Zeit – doch erstmal ist vermutlich eher der Inhalt der Schultüten wichtig. Foto: dpa

Der Einschulungstag wird zum Event, die Schultüte zum Statussymbol – dabei sind es andere Dinge, mit denen Eltern ihren Kindern den Übergang in den Schulalltag erleichtern können.

Stuttgart - Das Einhorn braucht noch eine Mähne, die Planeten ihre LED-Beleuchtung: Viele Eltern von Stuttgarter Erstklässlern dürften dieser Tage noch letzte Hand anlegen an die Schultüten ihrer Sprösslinge. Unzählige Feierabende gehen drauf für die Bastelkreationen. Nicht nur Lehrer beobachten: Die Schultüten werden immer aufwändiger – und der Inhalt immer teurer. Experten sehen das mit Sorge und raten: Weniger ist oftmals mehr.

Nichts geht über selbstgemacht?

„Als ich in die Grundschule kam, bekam ich eine Schultüte aus dem Kaufhaus in die Hand gedrückt – heute ist jede für sich genommen ein individuell gestaltetes Kunstwerk“, berichtet Michael Gomolzig. Daran sei erst einmal gar nichts auszusetzen, betont der Sprecher des Verbands Bildung und Erziehung Baden-Württemberg. „Natürlich ist es schön, seinen Kindern zur Einschulung eine besondere Freude zu machen.“

Lesen Sie auch: Der Hype um den Schulanfang

Bedenklich werde es aber, wenn die Eltern in einen Konkurrenzkampf um die schönste, aufwändigste und individuellste Schultüte träten. „Mancher setzt einen erheblichen Ehrgeiz daran, die anderen zu übertreffen.“ Da muss die Prinzessin ein echtes Tüllröckchen bekommen und die Sterne auf der Planeten-Schultüte müssen dank LEDs richtig leuchten. „Man sollte nicht vergessen: Kinder vergleichen sich ohnehin permanent – dem muss man als Eltern nicht noch Vorschub leisten“, so Gomolzig weiter.

Wer also Lust hat zu basteln, soll das ruhig tun. Genauso ist es aber auch ok, bei mäßigem Basteltalent oder wenig Zeit die Schultüte einfach zu kaufen. Einen persönlichen Touch bekommt sie zum Beispiel auch durch ein schönes Foto des ABC-Schützen – und das ist ruckzuck aufgeklebt.

Was gehört in die Schultüte?

Als Schulleiter weiß Michael Gomolzig: „Der Inhalt einer Schultüte kann vom einfachen Schokoriegel bis hin zum Handy reichen.“ Ähnlich wie bei der Außengestaltung verlieren manche Eltern auch bei der Befüllung jedes Maß. Auch wenn es schwierig scheint, rät der Experte, sich von diesem „Mehr, mehr, mehr“ nicht anstecken zu lassen: „Man muss nicht jeden Zirkus mitmachen.“

Lesen Sie auch: Woher kommt der Schultüten-Brauch?

„Großgeschenke wie ein Fahrrad, eine Spielekonsole oder gar ein Smartphone braucht es zum Schulanfang überhaupt nicht“, sagt Gomolzig und rät, aus dem Einschulungstag „keinen kommerziellen Rummel“ zu machen.

Praktische Dinge wie Buntstifte, Textmarker in Neonfarben oder eine bunte Vesperbox begeistern viele Kleine auch. Auch etwas Süßes darf natürlich in der Schultüte stecken.

Schön sei zum Beispiel auch ein selbstgemachtes Gutscheinheft: für einen gemeinsamen Zoobesuch, einen Abstecher auf den Bolzplatz oder einen Vorlesenachmittag auf dem Sofa. „Das ist das Wertvollste, was Eltern ihren Kindern schenken können: Zeit und Aufmerksamkeit“, weiß Gomolzig.

Wie viel Süßes darf sein?

Klar darf auch eine Tüte Gummibärchen oder ein Schokoriegel in die Schultüte wandern. Das finden sogar Gesundheitsexperten. Aber es gibt auch gesunde Alternativen zur Süßigkeit: Studentenfutter zum Beispiel oder getrocknete Früchte ohne Zuckerzusatz.

Anja Ettischer, Ernährungswissenschaftlerin bei der AOK Baden-Württemberg, meint: „Nicht immer muss die Schultüte bis oben hin mit Schokolade, Bonbons, Lollies oder anderen Zuckerbomben gefüllt sein. Gerade unter saisonalem Obst und Gemüse gibt es leckere und vitaminreiche Alternativen.“

Ob Radiergummi, Lineal oder Ranzenreflektoren: „Es gibt viele kleine Geschenke, über die sich Erstklässler freuen“, findet auch Dirk Kropp, Geschäftsführer der Initiative proDente, zu der die Bundeszahnärztekammer gehört.

„Gern dürfen die Geschenke auch zur Bewegung motivieren. Ein Springseil oder ein Softball eignen sich prima dazu“, sagt die AOK-Expertin Ettischer.

Den Übergang von Kindergarten in die Schule einfühlsam begleiten

Statt den Fokus nur auf den Tag der Einschulung zu legen, sollten Eltern versuchen, ihrem Kind beim Übergang vom Kindergarten in die Schule einfühlsam zur Seite zu stehen. „Die Eltern sollten ein offenes Ohr für die vielen neuen Erlebnisse, aber auch mögliche Sorgen ihrer Kinder haben“, sagt Michael Gomolzig.

Es gilt, zuzuhören, im Gespräch zu bleiben und auch zwischen den Zeilen zu lesen: Vielleicht ist der Weg vom Klassenzimmer zur Turnhalle noch eine Herausforderung? Oder der Nachwuchs ist schüchtern und es fällt ihm schwer, auf andere zuzugehen?

„Diese Zeit sollte man sich nehmen“, sagt der Pädagoge. „Es braucht dafür ja gar nicht viel: Sich von den täglichen Erlebnissen berichten zu lassen geht auch, während man den Abwasch macht.“