Einkommensteuererklärungen auf Papier haben eine längere Wartezeit zur Folge als über das Portal Elster. Foto: Imago/Zoonar

Die baden-württembergischen Finanzämter haben 2022 eine deutlich längere Bearbeitungszeit für die Einkommensteuererklärungen benötigt als im Jahr davor. Das Finanzministerium nennt eine Reihe von Gründen.

Die Steuerzahler in Baden-Württemberg mussten 2022 deutlich länger auf ihre Bescheide warten als noch im Jahr davor. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Einkommensteuererklärungen für den Veranlagungszeitraum 2021 stieg laut dem Finanzministerium auf 53,5 Tage. 2021 hatten die Steuerzahler lediglich 46 Tage auf den Steuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2020 warten müssen.

„Das lässt nichts Gutes für die Zukunft ahnen“

Auch dass die Quote der von einer Prüfsoftware bearbeiteten Fälle von 15,1 Prozent (2021) auf 16,5 Prozent (2022) stieg, hat die längere Wartezeit nicht verhindert. Bei diesen Fällen wird der Bescheid nach zehn bis zwölf Arbeitstagen versandt. Die Nutzung des Portals Elster verkürzt die Bearbeitungszeit um weitere ein bis zwei Arbeitstage.

Den drastischen Anstieg wertet der Bund der Steuerzahler als „Schritt in die falsche Richtung“, der nichts Gutes für die Zukunft ahnen lasse, sagte der Landesvorsitzende Eike Möller. „Die Finanzämter werden im Jahr 2023 sehr viel Arbeit mit den Grundsteuererklärungen und zusätzlichen Fällen wegen der Energiepreispauschale haben.“

Angespannte Personalsituation in den Finanzämtern

Nach Angaben des Finanzministeriums haben die längeren Bearbeitungszeiten diverse Gründe: So seien die Abgabetermine wegen der Pandemie nach hinten verschoben und die Erklärungen für 2020 oft erst 2022 abgegeben worden. Rückstände müssten zuerst abgearbeitet werden. Die Zahl der Einkommensteuererklärungen wachse stetig an, zuletzt etwa durch das Kurzarbeitergeld. Seit 2020 habe sich die Zahl der Einkommensteuerfälle im Land um zehn Prozent erhöht – auf aktuell 4,5 Millionen.

Auch würden die Steuerfälle immer komplexer und zeitaufwendiger, zum Beispiel wegen der Energiepreispauschale oder mehr Stundungsanträgen. Hinzu kämen weitere Zusatzaufgaben wie die Grundsteuerreform. Dies alles verschärfe die ohnehin angespannte Personalsituation in den Finanzämtern noch, so die Sprecherin.

Ziel ist es, wieder schneller zu werden

„Die lange Bearbeitungszeit ist sehr unbefriedigend – für die Bürgerinnen und Bürger ebenso wie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Finanzämtern“, bekennt die Sprecherin von Minister Danyal Bayaz (Grüne). „Unser Ziel ist es, auch unter den gegebenen Umständen wieder schneller zu werden.“ Dennoch müssten die Steuerbescheide gründlich bearbeitet werden. Die Qualität sei in Baden-Württemberg „durchgängig hoch“.

Ungeachtet der längeren Bearbeitungszeiten hätten die Finanzämter „den Service-Gedanken nie aus den Augen verloren“. Die Beschäftigten wollten nicht nur Bearbeiter, sondern auch Ansprechpartner sein. Dies zeige sich bei der Grundsteuer: Trotz des Aufwands hätten sich die Finanzämter so organisiert, dass es überall dezentral eine Grundsteuer-Hotline gegeben habe und die Fragen der Bürger ausführlich beantwortet worden seien.

Beim Personal schlechter ausgestattet als andere Länder

Im Ländervergleich habe Baden-Württemberg eine schlechtere Personalausstattung, was sich zwangsläufig auf Erledigung und Bearbeitungszeit auswirke. Ein größerer Personalaufbau sei „angesichts der angespannten Haushaltslage aber wenig realistisch“, so das Ministerium. „Außerdem müssten die Stellen dann auch erst mal besetzt werden.“ Auch die Steuerverwaltung leide unter dem Fachkräftemangel – schon heute seien die Studiengänge an den Hochschulen nicht mehr vollständig belegt.

Bearbeitungszeiten in den Ämtern zwischen 34 und 79 Tagen

In den einzelnen Finanzämtern liegen die Bearbeitungszeiten für den Veranlagungszeitraum 2021 zwischen 34 und 79 Tagen. In Grenznähe etwa müssen besonders viele Einkommensteuererklärungen von Steuerpflichtigen bearbeitet werden, deren Arbeitsort in einem anderen Land liegt. „Solche Fälle sind üblicherweise komplexer und bringen oft eine längere Bearbeitungszeit mit sich“, erläutert die Sprecherin regionale Unterschiede. Zusätzlich könne es zu neuen Zuständigkeiten in den Ämtern kommen, die ebenfalls zu Mehraufwand führten. Auch wirke es sich auf die Bearbeitungszeit aus, wenn mehrere Beschäftigte in Elternzeit seien oder wenn verstärkt Beschäftigte in Pension gingen.