Es gibt gute Nachrichten für den einzigen Laden, den es auf der Weidacher Höhe noch gibt. Noch aber ist die Situation nicht in trockenen Tüchern, sagt Susanne Tschach vom Förderverein.
Die Botschaft ist nicht zu übersehen: „Rettet unseren Bonus“, steht auf einem Plakat, direkt hinter der Eingangstüre des Stettener Einkaufmarktes. Und: „Der Markt steht kurz vor dem Aus. Noch kann es verhindert werden.“ Die Stettener werden aufgerufen in dem Laden einzukaufen, der sogar glutenfreie und laktosefreie Produkte vorhält und in dem es auch eine Post gibt. Sie werden gebeten auszuhelfen, Regale einzuräumen, zu kehren und zu kassieren und damit das Personal zu entlasten.
Unterstützer des Ladens haben sich vergangene Woche zum zweiten Mal im alten Stettener Rathaus getroffen. Zehn Leute waren es diesmal, die an dem Treffen teilgenommen haben, die im Laden aushelfen oder beispielsweise erneut Flugblätter verteilen wollen, berichtet Susanne Tschach. Sie ist die Noch-Vorsitzende des Fördervereins, der sich in der Auflösung befindet – aber dafür noch ganz schön aktiv ist. Auch wenn es mittlerweile gute Nachrichten gibt, ist die Situation „noch nicht in trockenen Tüchern“, sagt sie. „Das Ganze steht und fällt damit, dass die Leute hier einkaufen.“ Denn der Laden wolle zwar keinen Gewinn machen, aber eine schwarze Null müsse am Ende schon herauskommen.
Das einzige Geschäft auf der Höhe
Der Bonus-Markt ist das einzige Geschäft auf der Weidacher Höhe – dem oberen Teil des Ortes. Wer hier wohnt und nicht mehr mobil ist, hat ein Problem: Er müsste den recht steilen Buckel hinunterlaufen, um beim Discounter einzukaufen, der dort angesiedelt ist. Dennoch: Die Situation des Marktes sah in den vergangenen fünf Jahren nicht gut aus. „Rückläufige Förderung, steigende Betriebskosten und zeitweise sinkende Kundenzahlen belasteten den Betrieb in Stetten stark“, teilt Karsten Fischer, der Geschäftsführer der Bonus gGmbH, mit.
Die gemeinnützige Gesellschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die soziale Nahversorgung mit Integrationsarbeit zu verbinden. „Unser Ziel ist es, Langzeitarbeitslose oder Menschen mit besonderen sozialen Herausforderungen eine neue berufliche Perspektive zu eröffnen“, erklärt Fischer. „Wir qualifizieren und begleiten sie gezielt, damit sie mittelfristig in den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren können.“
Gleichzeitig werde die Grundversorgung in Stadtteilen sicher gestellt, die zunehmend unterversorgt sind. Ein Beispiel dafür sei der Bonus-Markt in Stetten, „der für viele im Ort mehr ist als ein Supermarkt – er ist Anlaufstelle, Postfiliale und sozialer Treffpunkt“, betont er. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Märkte sei aber nur möglich, wenn über die Jobcenter Personen im Rahmen geförderter Beschäftigung zugewiesen werden. „Umso erfreulicher ist es, dass sich der Markt inzwischen leicht stabilisiert hat: Der Mietvertrag wird bis 2027 verlängert“, informiert Fischer. Diese positive Wende verdanke das Unternehmen der engagierten Unterstützung vor Ort.
Anlass für die Aktion „Rettet unseren Bonus in Stetten“ war „die Idee, die Stettener Bürger darüber zu informieren, dass sie sich um ihren Bonus-Markt kümmern sollen, damit er auch weiterhin bleiben kann“, schreibt Susanne Tschach unserer Zeitung. Der Förderverein hatte in seiner Mitgliederversammlung im Dezember seine Auflösung beschließen müssen. „Wir möchten den Staffelstab an die Stettener weitergeben“, betont sie. Durch klare Botschaften an die Bevölkerung wie „Wer den Markt behalten will, muss dort einkaufen“ habe sich das Bewusstsein im Ort verändert, lobt Fischer die Aktion. Die Kundenfrequenz sei in den vergangenen Monaten gestiegen. Der Markt wurde zudem umgestaltet. „Seit dem Umbau geht es bergauf“, sagt Tschach. Die Räume wurden modernisiert, das Sortiment angepasst.
Dennoch bleibe eine strukturelle Herausforderung bestehen, erklärt Fischer. „Aufgrund von Kürzungen im Bundeshaushalt weisen die Jobcenter aktuell deutlich weniger geförderte Mitarbeitende zu“, erklärt er. Für Standorte wie Stetten stelle das eine ernst zunehmende Belastung dar – personell wie wirtschaftlich. „Der Markt wird momentan von ein bis zwei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewirtschaftet“, weiß Susanne Tschach. „Bei Öffnungszeiten von 8 Uhr morgens bis 19 Uhr abends eine unvorstellbare Leistung und große Herausforderung.“ Hier setze der Aufruf an alle an, aushilfsweise im Markt mitzuhelfen – gegen eine kleine Aufwandsentschädigung und einen Einkaufsgutschein im Wert von 50 Euro. „Der öffentliche Aufruf war ein starkes Zeichen“, sagt Fischer. Das Ganze befinde sich noch in der Aufbauphase, werde aber bereits positiv aufgenommen.
Der Bonus-Markt war einst ein Cap-Markt
Schon mal auf der Kippe
Der Laden auf der Weidacher Höhe stand 2019 schon einmal auf der Kippe. Hunderte Unterschriften hatte Susanne Tschach zusammengetragen, um den Stettener Laden zu retten. Der Markt war damals noch ein Cap-Markt. In dem Geschäft hatten Menschen mit Behinderung gearbeitet. Der Träger, der Reha-Verein im Landkreis Esslingen, hatte sich entschlossen, den Laden genauso wie weitere Cap-Märkte an eine gemeinnützige GmbH zu übertragen.
Drei Cap-Märkte übernommen
Die Gemeinnützige Gesellschaft für Schulung und berufliche Reintegration (SBR) hat dann drei Cap-Märkte übernommen: in Kirchheim, in Notzingen und in Stetten. Im März 2020 konnten die Stettener dann ihren neuen Laden erobern – der fortan ein Bonus-Markt war.