Bis Mitte 2024 soll es für Europäer ein einheitliches Ladekabel geben. Foto: dpa/Jens Büttner

In der Europäischen Union gibt es bald nur noch ein Ladekabel. Das ist gut für die Umwelt und die Verbraucher, sagt aber auch viel über die Arbeit der EU aus.

Der Kabelsalat hat bald ein Ende. Die Europäer bekommen bis Mitte 2024 ein einheitliches Ladekabel. Damit können sie Smartphones, Tablets, Digitalkameras, Kopfhörer, Navigationsgeräte und allerlei anderes elektronisches Gerät mit Strom versorgen. Im Europaparlament findet an diesem Dienstag dazu die finale Abstimmung statt. Die Euphorie unter den Abgeordneten ist riesig, denn dieser Schritt ist mehr als nur ein Stück Umweltschutz.

Neue Handys sollen in Zukunft auch ohne Ladegeräte zu kaufen sein, schließlich kann man das alte ja weiterverwenden. 1000 Tonnen Elektroschrott sollen auf diese Weise pro Jahr eingespart werden. Die Europaparlamentarier hoffen aber auch, bei ihren Bürgern punkten zu können. In deren Augen gilt die Union oft als weltfremdes Bürokratiemonster, nun aber können die Volksvertreter den Beweis antreten, dass ihre Arbeit das ganz normale Leben der Menschen einfacher macht. Natürlich erreicht die EU auch in vielen anderen Bereichen wichtige Erleichterungen für die Verbraucher. Sie macht etwa mit zahlreichen neuen Regelungen das Einkaufen im Internet sicherer und überschaubarer, doch selten sind die Erfolge für die Bürger so greifbar wie im Fall des Ladekabels.

Die EU ist eine gigantische Konsensmaschine

Wo Licht ist, fällt aber auch Schatten. Die Überarbeitung der Funkanlagenrichtlinie – so der typisch EU-sperrige Name – ist ein anschauliches und auch ernüchterndes Beispiel für die komplizierten Abläufe in der Europäischen Union. Auf der einen Seite demonstriert sie ihren großen wirtschaftlichen Einfluss und kann es sogar mit einem scheinbar übermächtigen Weltkonzern wie Apple aufnehmen. Die EU ist allerdings auch eine gigantische Konsensmaschine, was dazu führt, dass die Mühlen zwischen Parlament, Kommission und Rat in der Regel nur im Zeitlupentempo arbeiten.

13 Jahre ist es inzwischen her, dass der damalige EU-Kommissar Günter Verheugen bei einer Pressekonferenz ein unentwirrbares Knäuel von angeblich mehr als Zweidutzend Ladekabeln in die Kameras hielt. Der freie Markt wollte diesen Wirrwarr damals nicht regeln, also kümmerte sich die Politik um den offensichtlichen Missstand. Zur technischen Einordnung: in jener Zeit war gerade das iPhone 3gs mit einer fast schon revolutionären Drei-Megapixel-Kamera auf den Markt gekommen.

In der Folge des medienwirksamen Verheugen-Auftritts begann allerdings ein ziemlich ungleicher Wettlauf. Während sich die europäische Bürokratie weiter beharrlich mit dem Kabelproblem aus dem Jahr 2009 herumschlug, setzte der technische Fortschritt im Bereich der Elektronik von einem Quantensprung zum nächsten an. Das heißt, die Menschen telefonieren inzwischen mit dem iPhone 14 und für Smartphones gibt es in der Praxis nur noch zwei Ladesysteme. Apple verwendet das sogenannte Lightning-Kabel. Der große Rest der Nutzer setzt auf die Anschlussbuchse USB-C, die nun nach dem Willen der EU europaweit zum Standard werden soll.

In Sachen Ladekabel denkt die EU schon an die nächste Regelung

Der Ärger über den Kabelsalat hat sich im Laufe der Jahre also in Luft förmlich aufgelöst und die Europäische Union feiert sich für die Lösung eines Problems, das im Grunde kein Problem mehr ist. Der EU ist in diesem Fall wieder einmal ihre große Liebe zum Detail zum Verhängnis geworden und das Verlangen, eine Sache bis zum allerletzten Buchstaben regeln zu wollen.

Zuletzt hat die Union bewiesen, dass es auch anders geht. In Sachen Klimaschutz wurden in einem ersten Wurf die großen Linien vorgegeben. So konnte etwa das Aus des Verbrennermotors beschlossen werden, ab dem Jahr 2035 sollen nur noch emissionsfreie Pkw und leichte Nutzfahrzeuge neu zugelassen werden. Aber auch im Fall des zukunftsweisenden Klimaschutzes zeigt sich bereits jetzt der fatale Hang des EU-Apparates, ins Mikromanagement zu verfallen und mit den sehr strikten Vorgaben einer Planungsbehörde ein eher innovationsfeindliches Umfeld zu schaffen.

Auch in Sachen Ladekabel denkt die EU schon an die nächste Regelung. Das Parlament verlangt von der Kommission, bis 2026 einen Standard für das kabellose Laden vorzugeben. Schließlich lassen sich inzwischen viele Geräte ohne Kabel mit Strom versorgen. Am Ende wird es auch dafür eine europaweite Vorgabe geben – vielleicht nicht jetzt, sondern erst in 13 Jahren.