Große Show drinnen, Einöde draußen – das WM-Stadion in Al-Khor. Foto: IMAGO/Uwe Kraft

Der Besuch in Katar ist außergewöhnlich. Es gibt an manchen Stellen unfassbar viel Platz – und woanders herrscht himmlische Ruhe. Warum? Weil es Kreuzungen gibt, an denen bestenfalls drei Autos stehen, wie unser WM-Reporter in seiner Kolumne schreibt.

Es hat schon einige Situationen gegeben, bei denen wir uns bei dieser Wüsten-Winter-WM im falschen Film wähnten. So waren wir schon ein paarmal im Hauptmedienzentrum dieses Turniers, das ein bisschen außerhalb der Hauptstadt Doha liegt – aber optisch kaum zu verfehlen ist. Denn man könnte in diesen neun riesigen Hallen parallel den Weltklimagipfel, die Sicherheitskonferenz oder das Weltwirtschaftsforum veranstalten und eine Außenstelle des US-Pentagon unterbringen – weil das Zentrum wie ein besseres Wüstenschloss aus Tausend und einer Nacht daherkommt. So ist allein die Arbeitshalle für die Medienschaffenden so groß wie ein Fußballplatz. Mit Coachingzone, versteht sich.

Und so ist auch der Weg von der Einlasskontrolle, die wie am Flughafen abläuft, in die Halle für uns WM-Reporter mitunter weiter als jener von so manchem Stadion zum nächsten in der geballten WM-Metropole Doha. Man muss also gut zu Fuß sein bei diesem Turnier der angeblich kurzen Wege – wie schön, dass wir in unserer WM-Heimat namens Al-Khor kleinere Distanzen zu bewältigen haben. Die 30 000-Einwohner-Stadt liegt 45 Kilometer nördlich von Doha, hier wohnen wir während des Turniers mit unserer Vierer-Reporter-WG.

Am Sonntagabend also hatten wir bei der Partie der deutschen Mannschaft in Al Khor gegen Spanien ein Heimspiel – bei dem uns endgültig klar wurde, dass in unserer Stadt alles ein bisschen bescheidener ist. Und kürzer. Und: ruhiger.

Allerdings: So still wie auf unserem Fußmarsch zum Stadion hätten wir die Sache dann doch nicht erwartet.

Einmal links raus aus unserer Bude, die Straße entlang, wieder links – und schon sahen wir das Stadion. Was wir auf dem 20-minütigen Weg ansonsten sahen außer ein paar Häusern, der Straße und dem staubigen Weg daneben war genau: nichts. Kein Mensch, kein Auto: nichts! Gehört haben wir auch nichts. Weil es so still war, haben wir sogar damit angefangen, zu flüstern. Wir wollten die Wüstensandkörner unter uns nicht bei ihrer gewohnten Nachtruhe stören. Vielleicht haben sie gerade kurz vor dem Einschlafen auch noch das Sandmännchen geschaut – wir wissen es nicht.

Wir sind dann jedenfalls gleich wieder auf die geteerte Straße zurückgekehrt. Weil wir dem armen Sand so viel ungewohntes Getrampel nicht antun wollten. Der Fußball hinterlässt keine Spuren im Sand. Zumindest in Al-Khor nicht.

Auch auf der Hauptzufahrt zum Stadion war dann zwei Stunden vor Beginn der Partie echt die Hölle los: Es stauten sich satte drei Autos an einer Ampel. Nebeneinander, auf jeder der drei Spuren eines.

Wie gut, dass wir bei all dem Krach um uns herum noch den Anpfiff des Schiedsrichters hörten. Doch halt, Moment mal: zwei Stunden vor dem Anpfiff schon der Anpfiff? Wir kamen der Sache selbstverständlich näher. Katarische Parkplatzwächter pfiffen am Rand der Arena ihr Spiel an – und das zu jeder Sekunde. Sie lotsten die Autos, die noch gar nicht da waren, auf ihre Plätze. Wir haben einen Ordner gefragt, warum er das macht. Er hat uns gesagt, dass das die WM-Organisatoren so von ihm verlangen. Er solle zwei Stunden vor Anpfiff pfeifen, komme, was wolle. Oder eben nicht.

Willkommen im falschen Film. Der nächste Teil kommt bestimmt.