Ein Jahr lang im Amt als DFB-Präsident: Fritz Keller Foto: dpa/Arne Dedert

Der Winzer Fritz Keller ist an diesem Sonntag ein Jahr lang im Amt als DFB-Präsident – und scheint nach langer Anlaufzeit an Profil zu gewinnen. Eine Analyse.

Stuttgart - Als der Winzer Fritz Keller vor einem Jahr neuer DFB-Präsident wurde, da gab es die unvermeidlichen Analogien. Dass es sowohl beim Wein machen als auch im Fußballzirkus Geduld brauche, hieß es da. Oder dass manche Reben lange brauchten, bevor sie Trauben für Spitzenweine hervorbringen – so wie eben Kellers Aufgabe nun lange brauchte, um den taumelnden DFB auf Kurs zu bringen.

An diesem Sonntag nun ist Keller (63) genau ein Jahr lang im Amt an der Spitze des Deutschen Fußballbunds. Und eines lässt sich sagen: Geduld und Zeit braucht er noch immer. Und das offenbar nicht zu knapp.

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Mit einigen Vorschusslorbeeren war der ehemalige Clubchef des SC Freiburg als DFB-Präsident gestartet. Mit seiner Hemdsärmeligkeit verkörperte er den Gegenentwurf zu Vorgänger Reinhard Grindel, dem auf allen Ebenen gescheiterten Ex-Präsidenten. Keller, das war die Hoffnung im Verband und in der Fußballszene, könne Menschen gewinnen – weil er kein technokratischer Karrierist ist, wie es Grindel war.

Die Ängste von Watzke und Rummenigge

Dabei sollte der Winzer, der seit 1990 das Familiengut Franz Keller am Kaiserstuhl und dort zudem das Luxushotel und Restaurant „Schwarzer Adler“ führt, nicht mehr wie seine Vorgänger der allmächtige Präsident sein, der sich beim DFB für alle Details verantwortlich fühlt. Auch das wurde von Teilen der Szene vor einem Jahr noch positiv bewertet. Schon damals aber gab es auch kritische Stimmen – führende Kräfte aus der Bundesliga wie die beiden Clubbosse Karl-Heinz Rummenigge (FC Bayern) und Hans-Joachim Watzke (BVB) fürchteten im Zuge dieser Neuausrichtung des Verbands, dass der neue starke Mann des DFB zu schwach sein könnte.

Ihre Kritik sollte im ersten Jahr Kellers beim DFB neue Nahrung erhalten.

Wie will der Mann Dinge durchsetzen, wenn er keine Richtlinienkompetenz hat? Was hat er beim Flaggschiff, der Nationalelf, überhaupt zu sagen, dort also, wo der DFB-Direktor Oliver Bierhoff der starke Mann ist? Und überhaupt – wo sind die Reformkonzepte, um den taumelnden Tanker DFB wieder auf Kurs zu bringen? Mit all diesen Fragen sieht sich Keller in diesen Tagen zum Einjährigen mehr denn je konfrontiert. Weil er bisher nicht viele klare Antworten gab – und weil er zumindest bis zu einigen knackigen Aussagen in den vergangenen Wochen eher als schwacher Mann an der Spitze wahrgenommen wurde.

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Keller selbst sieht das anders. Denn er sieht es als Stärke an, wenn er nicht den Anspruch hat, über alle Dinge zu entscheiden. „Darum geht es mir auch beim DFB: diejenigen zu suchen, die in bestimmten Bereichen besser sind als ich“, sagte er dazu: „Denn wenn man die findet, macht man sich irgendwann an der Spitze überflüssig.“

Weil es dem Chef des mit knapp 7,2 Millionen Mitgliedern größten Sportfachverbands der Welt aber wohl irgendwann dämmerte, dass er nicht so ganz überflüssig sein kann, dass er sich zu gewissen Dingen also auch mal positionieren sollte, gab es zuletzt offenbar eine Kehrtwende. Plötzlich zeigte Keller Kante – und gab nicht mehr den schwachen Präsidenten aus den Monaten zuvor, der, nun ja, bei manchen Themenfeldern obendrein nicht die glücklichste Figur abgab.

Immer wieder das Sommermärchen

So wirkten einige Live-Auftritte Kellers, die in Zeiten von Corona und vorher auch bei der Rassismus-Debatte im deutschen Fußball oft gefragt waren, holprig, manchmal auch unglücklich. Als Keller im Mai in einem „Spiegel“-Interview recht oberflächlich die „Großkotzigkeit“ des Profifußballs anprangerte, bekam er heftigen Gegenwind. „Wenn wir eine Krise in den letzten Jahren im deutschen Fußball hatten, dann war sie beim DFB zu suchen“, sagte Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef des FC Bayern mit Blick auf den krisengeplagten Verband – und riet dem DFB, vor der eigenen Tür zu kehren. Der Konter saß. Und verfehlte seine Wirkung offenbar nicht.

Denn Fritz Keller, so scheint es in diesen Wochen, scheint die Dinge mehr und mehr anzupacken. Seine Agenda ist nun klar – und sie ist, das ist vielleicht noch wichtiger, inzwischen auch klar von ihm kommuniziert. So soll etwa der Sommermärchen-Skandal endlich aufgeklärt werden. Und in einem weiteren übergeordneten Punkt soll das große Geld aus dem Fußballgeschäft bei den Profis zurück zur Basis fließen.

Kritik am Flug der DFB-Elf

Dem ersten Ziel ist der DFB Kellers Angaben zufolge nahe. Eine Detektei hat offenbar neue Erkenntnisse ans Licht gebracht, die das Rätsel der Millionenzahlung rund um die WM-Vergabe 2006 lösen soll. „Es wird etwas Neues geben“, sagt Keller. Und: es sei an der Zeit, „diesem Jahr 2006, diesem Leuchtturm des deutschen Fußballs, den letzten Schatten zu nehmen“. Das Vorhaben mit den Geldern an die Basis wird allerdings schwierig „Der Fußball darf keine Geldwaschmaschine sein, wie es in bestimmten Ländern der Fall sein könnte“, sagt Keller dazu. Das Geld müsse wieder an die Basis und nicht in die Hände von Beratern und anderen, die es abzweigten, denn: „Wir brauchen Regeln.“

Immerhin klare Ziele und Ansagen also gibt es inzwischen – und das auch rund um die Nationalelf. So kritisierte Keller kürzlich den Flug von Stuttgart nach Basel zwischen zwei Länderspielen Anfang September. Es scheint, als gewinne der Verbandschef zum Einjährigen an Profil und Kontur. Und damit vielleicht auch an neuer Stärke.