Auf diesem Bolzplatz hat der junge Lionel Messi seine ersten Tore geschossen. Foto:  

Die argentinische Industriestadt Rosario jubelt über den WM-Titel und die Krönung der Weltkarriere ihres berühmtesten Sohnes. Ein Ortsbesuch.

Der Bolzplatz, auf dem alles begann, hat nun bunte Mauern. Auf ihnen sind Bilder zu sehen, die Lionel Messi in den verschiedenen Epochen seiner Karriere zeigen. Gleich daneben gibt es einen Schrein für „Gauchito Antonio Gil“, den argentinischen Volksheiligen, der von allen verehrt, aber von der katholischen Kirche nicht anerkannt wird. Am geöffneten Gitter zu Ehren „Gauchitos“ hängen zwei argentinische Fahnen mit dem Namen Messi. Wer „Gauchito“ um einen Gefallen bittet, kann sich so gleich auch an Messi wenden.

Angebetet werden in Argentinien eben nicht nur offiziell zugelassene Heilige. „Gauchito“ hat die Gebete seiner Landsleute erhört: Zum dritten Mal ist Argentinien nach dem Finalsieg mit 4:2 im Elfmeterschießen am Sonntag gegen Frankreich Weltmeister, und Lionel Messi hat seine überragende Karriere mit dem WM-Titel gekrönt. Argentinien wäre nicht Argentinien, hätte es kein episches Ende gegeben. Messi ist endgültig zum Nationalhelden wie Evita Peron oder Diego Maradona avanciert.

Hier wird Lionel Messi verehrt wie sonst nirgendwo auf der Welt

Alles in Rosario erinnert in diesen Tagen an Lionel Messi. Hier ist der Weltstar aus Argentinien vor 35 Jahren geboren worden. Und hier verehren sie ihn wie sonst nirgendwo auf der Welt. In Rosario weiß man um die Qualität des Fußballs. Messi ist zwar der bekannteste, aber längst nicht der einzige Star, der es von hier aus bis ganz nach oben geschafft hat.

Rosario ist deshalb so etwas wie die heimliche Fußball-Hauptstadt Argentiniens. Von hier aus starteten Weltkarrieren wie die des legendären WM-Trainers von 1978, Cesar Luis Menotti, dessen Bilder aus dieser Zeit mit wehendem Haar und Zigarette Kult sind. Aber auch der aktuelle Coach, Lionel Scaloni, kommt aus der Region. Und viele andere prominente Trainer und Fußballer, das Stadion trägt den Namen von Marcelo Bielsa.

Der Club Atlético Newell’s Old Boys ist sein Jugendverein

In der Straße, wo alles anfing – der Lavalleja im Viertel Las Heras –, haben sie sogar die Bordsteinkante weiß-blau angemalt. Hier wurde Messi geboren. Asiatische Filmteams filmen das schlichte Gebäude, auf dessen Rückseite ein großes Graffito aufgemalt wurde: „Gracias“ steht darauf zu lesen. Messi bringt der Stadt, die sonst unter negativen Schlagzeilen leidet wie keine andere in Argentinien, Glanz und Glamour. Und mehr als das: Er verschafft ihr Würde und Anerkennung. Mindestes einmal im Jahr kommt er über die Feiertage und schaltet ab. Messi bekennt sich zu Rosario und Rosario zu ihm.

„Alle, die irgendwann mal für die Newell’s Old Boys gespielt haben, haben eine enge Verbindung zum Club. Und sie halten diese Verbindung, auch wenn sie raus in die Welt reisen und Karriere machen“, sagt Gabriela Bodo von Messis Jugendverein Club Atlético Newell’s Old Boys im Gespräch mit unserer Zeitung. Sie ist die Kultursekretärin des Vereins, für den Messi als Kind die ersten Tore schoss. Fotos aus dieser Zeit sind selten, aber auch die wenigen, die es gibt, haben es als Wandmalerei auf die Mauern Rosarios geschafft.

Das perfekte Ende einer historischen Geschichte

Hier sind Kultur, Politik und Gesellschaft viel enger miteinander verwoben als in Deutschland. Auf dem weitläufigen Gelände gibt es Grillplätze für die traditionellen Asados. Auf einer Sitzbank wird an Frauen erinnert, die Gewalt zum Opfer fielen. Und die „Großmütter der Plaza de Mayo“, einer Menschenrechtsorganisation, die während der dunklen Zeit der rechtsextremen Militärdiktatur, als Tausende Menschen verschwanden, mutig demonstrierten, sind auf einer Außenwand des Stadions verewigt. Während in Europa darüber diskutiert wird, ob Fußball und Politik zusammengehören, ist das in Argentinien gar nicht mehr zu trennen.

„Es ist einfach das perfekte Ende einer historischen Geschichte“, sagt Gabriela Bodo. Die Geschichte begann in Rosario und findet vielleicht in ein paar Tagen ihren Abschluss, wenn Messi mit dem WM-Pokal auch noch in Rosario zu Besuch kommt. Das Märchen vom kleinen Jungen, der hinauszog, um die Welt zu erobern, hat sich erfüllt. Und alle in Rosario sind irgendwie dabei gewesen.