Das Ausbringen von zuviel Gülle gilt als Ursache für hohe Nitratwerte. Foto: dpa/Patrick Pleul

Die Bauern im Main-Tauber-Kreis sind unzufrieden. Sie haben ihre Nitratwerte gesenkt, sollen aber trotzdem die scharfen Regeln der neuen Düngeverordnung spüren.

Tauberbischofsheim - Mit rund 200 Landwirten war der Saal der Distelhäuser Brauerei in Tauberbischofsheim überfüllt, aber zum Bier trinken war hier bei einer Informationsveranstaltung des Landesbauernverbandes den wenigsten zumute. Die in Berlin konzipierte neue Düngeverordnung, die derzeit zur Prüfung bei der EU-Kommission liegt, war das Thema und sie wirft ihre Schatten voraus. Reinhard Friedrich, der Vorsitzende des Bauernverbandes Main-Tauber, betonte, dass die Böden in der Region recht durchlässig seien und man hier wenig Regen habe. Dennoch sei es gelungen, die Nitratbelastung der Böden in den letzten 20 Jahren „deutlich zu senken“. Lagen vier Gemeinden im Kreis mit einer Fläche von 23.000 Hektar vor Jahren noch in einem „roten Gebiet“, also bei einer Nitratbelastung über dem Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Liter, so sei dies heute nicht mehr der Fall. Die neue Düngeverordnung aber greife auf alte Daten zurück und werde, wenn sie im Frühjahr 2020 in Kraft treten sollte, mit ihren strengen Regelungen für die mit Nitrat stark belasteten „roten“ Gebiete auch Unschuldige treffen: „Das ist ungerecht, die Einteilung der Gebiete erfolgt auch nach einem zu groben Raster.“ Es sei unfair, dass mit den ständigen Verschärfungen der Düngeverordnungen die Bauern „an den Pranger“ gestellt würden.

Einzelne Landwirte betonten, dass sie die geplante Einschränkung des Düngemitteleinsatzes um 20 Prozent in mit Nitrat stark belasteten Gebieten auch 15 bis 20 Prozent weniger Erträge – und Erlöse – bedeuten würde. Der Main-Tauber-Kreis ist stark vom Anbau von Weizen, Braugerste, Raps und Zuckerrüben geprägt.

Ordnungswidrigkeiten sollen mit bis zu 50 000 Euro bestraft werden

Von Helga Pfleiderer, Referentin aus dem baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium, konnten die Bedenken nicht ganz entkräftet werden. Pfleiderer umriss detailliert, „was auf die Landwirte zukommen wird“ mit der neuen Düngemittelverordnung: Änderungen bei der Düngebedarfsermittlung, eine Erhöhung der sogenannten Mindestwirksamkeit von Gülle, neue Bestimmungen für den Gewässerschutz mit düngefreien Randstreifen, deren Breite sich an der angrenzenden Hanglage bemisst, Verkürzungen der Einarbeitungszeiten von Gülle und Stickstoff-Obergrenzen bei der Düngung sowie neue Protokollpflichten für die Landwirte – alles in allem, eine Wissenschaft für sich.

Immer wieder wies Pfleiderer daraufhin, dass bestimmte Punkte den Südwesten weniger treffen werden als andere Bundesländer mit intensiver Tierhaltung. So ist die „falsche oder unvollständige Aufzeichnung“ der Düngemittelausbringung beispielsweise eine Ordnungswidrigkeit, die mit bisher 10 000 Euro bestraft werden kann, künftig sollen es 50 000 Euro sein. „In Baden-Württemberg ist so ein Bußgeld meines Wissens noch nie verhängt worden“, sagte Pfleiderer. Es sei aber möglich, dass es „andere Bundesländer“ gebe, wo eine Erhöhung des Bußgeldes notwendig sei.

Deutschland muss mehr tun gegen die Nitratbelastung – daran gibt es keinen Zweifel

Pfleiderer berichtete von allein neun Maßnahmen – sieben vom Bund, zwei von den Ländern – mit denen der Einsatz von Düngemitteln in mit Nitrat stark belasteten Gebieten geregelt werden soll. An der Notwendigkeit, dass Deutschland mehr tun muss gegen die Nitratbelastung, ließ die Referentin aber keinen Zweifel. Zweimal wies sie daraufhin, dass die EU-Kommission eigentlich „geduldig“ mit Deutschland gewesen sei. Schon 2003 sei der erste Aufruf der Kommission erfolgt, mehr für die Einhaltung der seit 1991 geltenden Nitratrichtlinie zu tun. Im übrigen habe sich die Lage in den Jahren von 2008 bis 2014 nicht verbessert, laut Nitratbericht lagen die Nitratwerte in Deutschland bei 28 Prozent der landwirtschaftlichen Messstellen über dem EU-Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Liter Wasser.

Die Unzufriedenheit im Publikum konnte Pfleiderer nicht ausräumen. Kritische Anfragen betrafen beispielsweise das avisierte Verbot der Herbstdüngung mit Gülle, das stelle viele Bauern bei der Lagerhaltung vor Probleme, denn vom Sommer bis Februar falle viel Gülle an, die irgendwo aufbewahrt werden müsse. Gleichzeitig hatten Landwirte oft Schwierigkeiten, eine behördliche Genehmigung für den Bau eines Güllelagers zu erhalten, weil technische Probleme der Leckagen-Erkennung nicht geklärt waren. Sorgen bereitet den Landwirten auch die geplante Überprüfung des Nitrat- und Dünge-Systems im Abstand von vier Jahren „Die Landwirte brauchen verlässliche Rahmenbedingungen von zehn bis 15 Jahren für ihre Planung“, sagte Stefan Fröber, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes. Unterdessen geht der Protest der Bauern gegen die Agrarpolitik weiter: Am kommenden Samstag planen Landwirte der Bewegung „Land schafft Verbindung“ Mahnfeuer in Baden-Württemberg – auch die Bauern aus dem Ort Großrinderfeld-Schönfeld haben beispielsweise dazu aufgerufen und werden dazu den Festplatz des Dorfes verwenden.