Die Teilnehmer des diesjährigen Dschungelcamps, das am Freitag bei RTL startet. Foto: RTL

Wahrscheinlich ist das RTL-Dschungelcamp die nachhaltigste Show im deutschen Fernsehen. Über ein Konzept, das Promis züchtet, erntet und sich selbst ernährt.

Stuttgart - „Endlich wieder Sterneküche“, steht auf Werbeplakaten an U-Bahn-Haltestellen. Fernsehzuschauer wissen, um was es geht: „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ geht wieder los – oder wie Fans die Promi-Reality-Spielshow auf RTL nennen: das Dschungelcamp. Seit 2004 und mittlerweile regelmäßig seit 2011 treffen sich zu Beginn des Jahres immer zehn bis zwölf sogenannte Promis im australischen Dschungel und ringen dort mit sich selbst, den anderen und vielen, oft ekligen Mutproben.

Ekel und Schadenfreude

Baden in stinkendem Dreck, Bekanntschaft mit Schaben und Maden, Schleimduschen oder der Verzehr von Tierhoden stehen auf dem Programm. Wer diese Dschungelprüfungen erfolgreich durchexerziert, bekommt große gelbe Sterne zur Belohnung, die der Gruppe etwas Luxus bescheren – schmackhaftere Mahlzeiten oder Zigaretten etwa. Wer das alles nicht mehr möchte, ruft „Ich bin ein Star, holt mich hier raus!“, und löst damit das Rückflugticket. So weit so gut.

„Boa, ich hab’ die Fresse voll – das stinkt ja abgöttisch“, sagte einst der Magier Vincent Raven im Dschungelcamp. Dass er etwas anderes gemeint hat, war jedem Zuschauer klar. Doch auch das macht den Reiz der Sendung aus: Menschen tun oder sagen in Stresssituationen unüberlegte Dinge – und zu Hause lacht man darüber. Beziehungsweise: Das Publikum am Fernseher entscheidet ja sogar munter per Telefonabstimmung, wer künftig noch weiteren Ekel erdulden möge.

Weder Trash noch Kult: Normalität

Verschoben hat sich nach 14 Staffeln die Wahrnehmung, bei den sogenannten Promis handle es sich um bemitleidenswerte, abgehalfterte C-Stars, denen gar nichts anderes mehr übrig bleibe, um im Gespräch zu bleiben, also – Hoden essen oder in der Bedeutungslosigkeit versinken. Längst erzählen Kandidatinnen wie die Schauspielerin Tina Ruland („Manta, Manta“), die in diesem Jahr dabei ist, freimütig davon, dass die üppige Gage für die Teilnahme an der Show ein ausreichendes Argument sei.

Andere reden offen den erhofften Booster für die „Promi“-Karriere. Selbst der einige Staffeln währende ironische Kultstatus des Happenings („Haha, alle doof!“) hat sich gelegt. Etwas mehr als fünf Millionen Menschen sehen sich das durchschnittlich an.

Im vergangenen Jahr wurde das Dschungelcamp wegen der Coronapandemie erst von Australien nach Südafrika verlegt, dann ganz abgesagt. Stattdessen wurde die Ersatzsendung „Ich bin ein Star – die große Dschungelshow“ im vergleichsweise schmucklosen Köln-Hürth produziert. Ausgelobt wurde ein Startplatz für das diesjährige Camp, das nun tatsächlich in Südafrika stattfinden wird.

Plötzlich prominent

Gewinner ist Filip Pavlovic: Der 27-Jährige Hamburger lächelt sich seit 2018 durch die einschlägigen Reality-TV-Shows: In Serbien nahm er an der „Big Brother“-Show teil und in der Scripted-Reality-Show „Workout – Muskeln, Schweiß und Liebe“ spielte er einen Fitnesstrainer. Das machte sich bezahlt: Pavlovic wurde Kandidat bei „Die Bachelorette“ und „Bachelor In Paradise“.

Und schon hatte er sich in den Status des Promis befördert: „Like Me I’m Famous“, „Die Festspiele der Reality Stars“, „Promiboxen“ und „Ninja Warrior Germany – Promi Special“. Pavlovic war plötzlich berühmt fürs Berühmtsein, weil er sich als TV-taugliche Projektionsfläche erwiesen hat. Die österreichische Dschungelteilnehmerin Tara Tabitha (Model und Influencerin) wirkte in ihrem Heimatland in Shows wie „Tara und Moni“, „Mit Hirn, Charme und Melonen“ mit und hierzulande bei „Ex On The Beach“.

Endspiel oder Startschuss?

Unklar ist, ob die Teilnahme am Dschungelcamp eine Art Endspiel um die „Promikrone“ oder die Qualifikation für die kommende Runde im Reality-, Spiel- und Personality-Segment des Privatfernsehens darstellt. Es sei die „Königsklasse im Reality-TV“, sagt der Kandidat Manuel Flickinger, der ebenfalls durch die einschlägige Shows im Privatfernsehen geschleust wurde. Er war bei „Prince Charming“, „Deutschland sucht den Superstar“, „First Dates“ und dem Promi-Special von „Ninja Warrior“.

Aufmerksamkeit ist Gold

Linda Nobet, Miss Hessen 2018, ist noch frisch im Gewerbe. Sie war bei „Der Bachelor“ und wurde gerade erst im Playboy gesehen. Die 26-Jährige kokettiert damit, wenn’s darauf ankäme, auch einen „Zickenkrieg“ vom Zaun zu brechen. Laut, bunt und ein bisschen nervig – Aufmerksamkeit ist Gold im Geschäft.

Tatsächlich hat sich längst eine Art Verwertungskette von sogenannten Promis ergeben. Man lässt die Sternchen auf heimischem Privatfernseh-Boden wachsen, dann wird so lange geerntet, wie öffentliches Interesse an den Figuren besteht. Ein System, das sich selbst ernährt. Die Krönung wäre dann: RTL-Promireporterin Frauke Ludowig, die sonst auch echte Stars besucht, guckt zur Homestory vorbei.