Hertlin Klöcker (81) kommt zur Drittimpfung extra aus Leonberg ins Impfzentrum des Robert-Bosch-Krankenhauses. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Seit Mittwoch können sich bestimmte Risikogruppen, deren Zweitimpfung sechs Monate zurückliegt, die Auffrischungsimpfung geben lassen. Mark Dominik Alscher vom Robert-Bosch-Krankenhaus weiß nicht, ob diese dritte Impfung die letzte sein wird.

Stuttgart - Im Bus der Linie 57 in Richtung Alter Gutshof herrscht eine angespannte Stimmung. Viele Fahrgäste blicken immer wieder nervös auf die Haltestellenanzeigetafel im Bus. Dazwischen kramen sie in ihren Taschen und ziehen Papiere und Dokumente hervor. „Fahren Sie auch zur Drittimpfung?“, fragte eine Frau, die mit ihrer Mutter unterwegs ist, ein Ehepaar. „Ja, mein Mann wird geimpft. Aber er ist erst am Samstag dran. Wir wollten nur schon einmal schauen, wo das Impfzentrum am Robert-Bosch-Krankenhaus ist“, antwortet die Ehefrau.

Schließlich kommen Günter und Monika Schmidt aus Möhringen. Und der 83-Jährige hatte seine beiden ersten Impfungen noch in der Liederhalle erhalten. Dort war er Anfang Januar gleich einer der ersten Impflinge, weshalb er jetzt zur Auffrischungsimpfung zugelassen ist. Denn um diese zu erhalten, sollen laut Beschluss der letzten Gesundheitsministerkonferenz mindestens sechs Monate seit der Erstimpfung vergangen sein. Generell sind für eine Drittimpfung gegen Covid-19 Menschen berechtigt, die bei der Erst- und Zweitimpfung zur Prioritätengruppe eins gehört haben.

„Ohne die Drittimpfung werden wir nicht auskommen“

Während Monika und Günter Schmidt zurück nach Möhringen fahren, um am Samstag wiederzukommen, folgt Erna Heinz zusammen mit ihrer Tochter den Pfeilen, die vom Bus den Weg zum Impfzentrum weisen. Die 82-Jährige kommt aus Echterdingen von den Fildern zum Robert-Bosch-Krankenhaus (RBK), da ihr Hausarzt meinte, er mache die Drittimpfung nicht mehr mit. Da es Erna Heinz aber wichtig war, eine Auffrischung zu bekommen, buchte ihre Tochter im Internet den Termin.

Mark Dominik Alscher, der Medizinische Geschäftsführer des RBK, steht inmitten des Trubels im Impfzentrum, in dem es seit Mittwoch die Drittimpfung gibt, und schaut sich um. „Das Klientel hat sich über Nacht geändert“, sagt er. In den vergangenen Wochen seien die Menschen, die zur Erst- und Zweitimpfung gekommen seien, meist jünger gewesen. Zur Drittimpfung kommen eher ältere. Alscher ist von der Notwendigkeit der Auffrischung überzeugt. „Ohne die Drittimpfung werden wir auf Dauer nicht auskommen. Die Frage ist, wann sie erfolgen muss“, sagt er und verweist auf Israel. Dort habe man erforscht, dass mit dem zeitlichen Abstand zur Impfung die Antikörper weniger würden. Damit bestehe für Ältere oder Immunschwache ein deutlich höheres Risiko.

Die vierte Welle läuft bereits

Alscher rechnet damit, dass sich die meisten der Menschen, für die eine Drittimpfung vorgesehen ist, auch impfen lassen werden. „In der Gruppe der Älteren ist die Impfrate sehr hoch. Ich schätze, das wird sich auch bei der Drittimpfung halten.“ Die Zahl derer, die im Gesundheitswesen arbeiten und sich ein drittes Mal impfen lassen, könne indes geringer ausfallen. „Aber ich denke sowieso, dass alle Menschen zwölf Monate nach der zweiten Impfung eine Drittimpfung erhalten werden“, sagt Alscher. Schließlich laufe die vierte Welle bereits. Das hebe die Krankheit noch einmal neu ins Bewusstsein. „Wir haben derzeit 26 stationäre Covid-19-Patienten bei uns im Haus. Das sind viele. Zum Vergleich: Im August 2020 hatten wir gar keine.“

Trotz dieser enormen Zahl an Menschen, die dann wieder zu impfen wären, macht sich Alscher keine Sorgen bezüglich der Schließung der Impfzentren Ende September. „Wir haben ein gutes Gesundheitswesen. Auch andere Impfungen bekommen wir gut hin – wir müssen ein Stück weit wieder zur Normalität zurückfinden“, sagt Alscher, der zudem auf mobile und ambulante Impfteams setzt.

„Es ist durchaus denkbar, dass keine weitere Impfung mehr nötig ist“

Der 81-jährige Hertlin Klöcker aus Leonberg (Kreis Böblingen) hat bereits seine ersten beiden Impfungen im RBK erhalten. Als er aus der Presse von der Drittimpfung erfuhr, entschied er sich bewusst dafür, seine Drittimpfung auch wieder im Impfzentrum auf dem Pragsattel vornehmen zu lassen. Am Dienstag habe er sich telefonisch um einen Termin bemüht, bereits einen Tag später steht er in der kurzen Warteschlange und hält seine Dokumente bereit, um sich registrieren zu lassen. Danach muss er einige Unterlagen ausfüllen und ein Aufklärungsgespräch mit einem Arzt führen. Dann wird ihm in einer Kabine der Impfstoff verabreicht – in Klöckers Fall Biontech. Eine weitere Option ist Moderna. Sechs Ärzte plus ein Schichtleiter, fünf Impfkräfte plus ein Schichtleiter sowie Personal zur Impfstoffvorbereitung sowie zur Nachbetreuung stehen laut der Betriebsleiterin Sabine Johannes in zwei Schichten für die Impfwilligen bereit. Am Mittwoch kamen bis 16 Uhr insgesamt 270 Menschen allein zur Drittimpfung.

Wird gar eine vierte Impfung notwendig?

Nach der Impfung muss Klöcker noch ein paar Minuten zur Beobachtung bleiben. Vor Impfreaktionen muss er sich laut Alscher nicht mehr sorgen als bei den ersten beiden Impfungen, zumindest legten das die ersten Erfahrungen nahe. „Bei der ersten hatte ich gar nichts, bei der zweiten war ich ein bisschen matt“, sagt der 81-Jährige. Und wann muss Klöckner zur Viertimpfung wiederkommen? „Es ist durchaus denkbar, dass die Dreifachimpfung einen ausreichenden Impfschutz aufbaut, so dass keine weitere Impfung mehr nötig ist. Genau weiß man das aber noch nicht“, sagt Alscher.