Dogsharing-Apps vernetzten Menschen, die sich gemeinsam um einen Hund kümmern möchten. Wie eine Stuttgarter Hundebesitzerin davon profitiert, und was eine Tierschützerin dazu sagt.
Die einen haben einen Hund, aber nicht genug Zeit. Die anderen haben die Zeit, aber nicht die Möglichkeit, einen eigenen Hund zu halten. Für diese Fälle gibt es sogenannte Dogsharing-Apps, die beide Seiten zusammenbringen sollen.
Wie das gehen kann, zeigt das Beispiel von Melanie Kupi. Die 34-Jährige hat seit vier Jahren eine Golden-Retriever-Hündin, Ella. Ein Betreuungsproblem habe sie lange nicht gehabt, sagt sie. Ella durfte jeden Tag mit ins Büro, und wenn doch einmal etwas dazwischen kam, standen Freunde und Bekannte in ihrer unmittelbaren Umgebung bereit.
Dann folgte im Frühling 2024 ein Jobwechsel, der Umzug von Herrenberg nach Bad Cannstatt, ein ganz neuer Lebensabschnitt. Keine Freunde und Bekannten in der Nähe, und beim neuen Arbeitgeber durfte Ella nicht mehr mit ins Büro. Ein Problem.
So funktionieren Dogsharing-Apps
„Ich habe mir dann direkt ‚Hundelieb’ heruntergeladen“, sagt die 34-Jährige. Hundelieb ist eine Dogsharing-App, eine von vielen auf dem Markt. Sie bringt Hundebesitzer mit Menschen zusammen, die sich gelegentlich oder regelmäßig um fremde Hunde kümmern können – und vor allem wollen. Es gibt keine Bezahlung. Beide Seiten sollen von der Hundebetreuung profitieren. Die Apps sind nicht neu, aber die Nachfrage steigt.
„Es ist wie Tinder für Hunde“, erklärt Melanie. Bedeutet: Der Hund bekommt ein eigenes Profil, mit Foto und Kurzbeschreibung. Interessenten bekommen in der App die Hunde in ihrer Nähe angezeigt und können matchen, wenn ihnen das Profil gefällt. Ganz wie beim echten Tinder.
Mittlerweile hat Melanie dank der App mehrere Menschen an der Hand, die regelmäßig auf Ella aufpassen, während sie im Büro ist. In der Regel sind das drei Tage in der Woche.
Es gibt Dogsharing-Konzepte, die noch weitergehen. Konzepte, bei denen sich zwei Menschen einen Hund zur Hälfte teilen, gleichberechtigt sind, sich Verantwortung und Kosten teilen.
Melanie hingegen definiert sich weiter als „alleinerziehende Hundemama“. Die Kosten für Ella trägt sie selbst; eine Hundehaftpflichtversicherung sichert sie für Schäden ab, die während der Zeit bei der Hundebetreuung entstehen.
So ordnet eine Tierschützerin die Dogsharing-Apps ein
Aus Sicht von Petra Veiel, Tierschutzlehrerin beim Tierschutzverein Stuttgart, spricht zunächst nichts gegen Dogsharing-Apps. Sie könnten hilfreich sein, um überhaupt Menschen kennenzulernen, die Zeit und Lust auf eine Hundebetreuung haben, so Veiel.
Allerdings, warnt die Tierschützerin, müsse ab dem Zeitpunkt des Matches der eigene Menschenverstand übernehmen. „Ich muss als Hundehalter schauen: Ist die andere Person seriös? Hat sie die nötige Sachkunde? Habe ich ein gutes Bauchgefühl?“
Petra Veiel rät zur Geduld. „Auf Tinder ist es ja auch nicht so, dass man beim ersten Match direkt sagt: ,Das wird mein Mann.’“
Identische Regeln und Kommandos sind wichtig
Melanie Kupi hat dafür mittlerweile einen eigenen Fahrplan entwickelt, wie sie sagt. Wenn es zum Match kommt, trifft sie sich zunächst mit der anderen Person zu einem Spaziergang zu dritt. Gewinnt sie dort einen positiven Eindruck, bekommt die andere Person Ella zunächst für einen Spaziergang, dann für ein paar Stunden, und schließlich, wenn alles passt, für die Zeit, die Melanie im Büro verbringt.
Als aller erstes aber frage sie immer nach der Motivation. „Es sollte nicht um Geld, sondern um die Sache gehen.“ Auf der App, die Melanie nutzt, tummelten sich immer mehr „professionelle Hundesitter“, die Geld verlangten, sagt sie.
Beim ersten gemeinsamen Spaziergang will Melanie ein Gefühl für die andere Person bekommen. „Mir ist es wichtig, dass man versteht, wie Hunde ticken“, sagt sie. Zwar sei Ella ein „tiefenentspannter Hund“, sie teste aber immer wieder, wie weit sie bei ihrem Gegenüber gehen kann. „Da braucht es jemanden, der ihr die Grenzen aufzeigen kann“, sagt Melanie.
Wichtig sei ihr, dass sich Kommandos und Regeln während der Hundebetreuung nicht von dem unterscheiden, was sie Ella beigebracht hat. Da spreche sie sich mit der Hundebetreuung ab.
Tierschützerin: So kann Dogsharing funktionieren
Für Tierschützerin Petra Veiel ist das ein essenzieller Punkt, damit Dogsharing funktionieren kann. „Ein Hund braucht feste Strukturen und Rituale, die selben Kommandos und Dos and Don’ts, dass er sich auf seine Menschen und seinen Alltag verlassen kann.“ Wenn jeder etwas anderes vom Hund verlangt, komme Stress beim Tier auf.
Zudem sei nicht jeder Hund für Dogsharing geeignet. Während sich entspannte Hunde wie Ella möglicherweise sogar über die Abwechslung freuen, seien Problemhunde oder Angsthunde nicht für wechselnde Herrchen und Frauchen geeignet.
Zum „Wanderpokal mit ständig wechselnden Bezugspersonen“ sollte aber kein Hund mutieren, so Veiel. Wenn alles gut organisiert ist, könne die geteilte Hundeliebe aber „ein absoluter Mehrwert in der heutigen Zeit“ sein.