Seit Wochen fordern die Arbeiter der Dönerfabrik Birtat in Murr faire Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Der Konflikt verschärft sich – mit möglichen Folgen für Dönerliebhaber.
Hunderttausende Döner wandern täglich über die Theken deutscher Imbisse – viele davon mit Fleisch vom Dönerspieß-Hersteller Birtat aus Murr. Doch seit Wochen legen die Fabrikbeschäftigten immer wieder die Arbeit nieder. Sie wollen einen Haustarifvertrag – und erhöhen nun den Druck.
Was gibt es Neues?
Bereits zehn Streiktage haben die Birtat-Beschäftigten hinter sich, mit durchweg hoher Beteiligung, so die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Mitte Juli legten sie fünf Tage in Folge die Arbeit nieder.
In der vergangenen Woche folgte eine Urabstimmung, bei der sich alle teilnehmenden Gewerkschaftsmitglieder einstimmig für eine Ausweitung der Streiks aussprachen. Weitere Streiktage – möglicherweise sogar ganze Streikwochen – sind absehbar. Die Belegschaft ist offensichtlich bereit, den Konflikt mit der Geschäftsführung deutlich zu verschärfen, um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Wie sind die Arbeitsbedingungen?
Bei Birtat wird laut NGG teils am Fließband mit hoher Frequenz und unter Zeitdruck gearbeitet. „Unsere Arbeit ist echt hart“, sagt Betriebsratschef Muzayfe Doganer. Fleisch zerkleinern, marinieren, Spieße stecken: Bei niedrigen Temperaturen sei das ein Knochenjob. Das Unternehmen produziert laut Doganer täglich 35 bis 40 Tonnen Dönerspieße. Die Spieße könnten bis zu 100 Kilogramm wiegen.
Die Bezahlung gehe derweil „kreuz und quer durcheinander“, zum Teil in 50-Euro-Schritten, sagt NGG-Verhandlungsführerin Magdalena Krüger. Das sei völlig willkürlich. Entscheidend seien bislang persönliche Beziehungen und individuelles Verhandlungsgeschick.
Was fordern Mitarbeiter und Gewerkschaft?
Seit Februar kämpft die Belegschaft für mehr Geld. Um die rund 115 Beschäftigten in Murr zu entlasten, fordert die NGG ein transparentes Entgeltraster und ein Einstiegsgehalt von 3000 Euro – bis dahin müsse den Mitarbeitern aber mit einem Pauschalbetrag von monatlich 375 Euro schnell geholfen werden, so Krüger.
Inwieweit ist der Konflikt schon eskaliert?
Beschäftigte werfen der Unternehmensleitung vor, gezielt Druck auf gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter auszuüben. In persönlichen Gesprächen sollen einzelne Angestellte zur Aufgabe ihrer Mitgliedschaft gedrängt worden sein. Mehreren Mitarbeitern sollen laut Informationen unserer Zeitung Austrittserklärungen zur Unterschrift vorgelegt worden sein, bei denen nur noch die Mitgliedsnummer eingetragen werden musste. Besonders Mitarbeitende im Betriebsrat sehen sich laut eigener Aussage massivem psychischen Druck ausgesetzt.
Zudem liegt dieser Redaktion ein Schreiben vor, in dem Beschäftigten eine Prämie von 200 Euro in Aussicht gestellt wird, sollten sie sich nicht an einem Streiktag beteiligen. Birtat-Geschäftsführer Cihan Karaman weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Wie verhält sich die Geschäftsführung?
Seit Abbruch des vierten Termins Anfang Juli herrscht weitgehend Funkstille zwischen Geschäftsführung und Gewerkschaft. Laut Karaman sieht Birtat die Forderungen als wirtschaftlich nicht umsetzbar. Das Einstiegsgehalt liege bereits bei 2600 Euro und damit im oberen Bereich der Branche – obwohl für die Arbeit keine Ausbildung notwendig sei. Laut Karaman gab es vor den Streiks jährliche Gehaltsanpassungen.
Was bedeutete der Tarifstreit für die Döner-Versorgung?
Bei den bisherigen Streiks wurde die Produktion bei Birtat laut NGG weitgehend lahmgelegt. Lieferengpässe sind bislang nicht bekannt. Doch sollten die Arbeitsniederlegungen länger andauern, könnte es bei Imbissen zu Engpässen kommen.
Auch ein erfolgreicher Tarifabschluss hätte wohl Auswirkungen für Verbraucher: Durch steigende Löhne bei Birtat – und möglicherweise auch bei anderen Herstellern – könnte der Döner die magische 10-Euro-Grenze reißen. Das liegt aber nicht nur an höheren Gehältern. Auch die Kosten für Rindfleisch, Energie und andere Rohstoffe sind zuletzt deutlich gestiegen. Die NGG widerspricht der Preistreiber-These: „Ein Tarifvertrag könnte einfach dazu führen, dass der Gewinn stärker bei denen landet, die ihn erwirtschaften“, heißt es.