In Privathaushalten sieht das DIW vor allem Energiesparen als Möglichkeit, von russischem Erdgas unabhängig zu werden (Symbolbild). Foto: IMAGO/Christian Ohde/IMAGO/Christian Ohde

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung geht davon aus, dass Deutschland früher als gedacht auf Erdgas aus Russland verzichten kann. Ihr Plan: Lieferungen aus anderen Ländern und Energiesparen – doch LNG-Terminals sieht die Studie kritisch.

Deutschland kann einer Studie zufolge noch in diesem Jahr und damit früher als von der Bundesregierung vorhergesagt ohne russische Erdgaslieferungen auskommen. „Wenn die Energie-Einsparpotenziale maximal genutzt und gleichzeitig die Lieferungen aus anderen Erdgaslieferländern so weit wie technisch möglich ausgeweitet werden, ist die deutsche Versorgung mit Erdgas auch ohne russische Importe im laufenden Jahr und im kommenden Winter 2022/23 gesichert“, lautet das Fazit der Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Diese lag der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag vor. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geht hingegen davon aus, dass Deutschland noch bis Mitte 2024 benötigt, um von russischem Gas unabhängig zu werden. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine will Berlin auf Importe von dort so schnell wie möglich verzichten.

Für einen schnelleren Abschied ist der Studie zufolge nicht erforderlich, dass Deutschland eigene Terminals für das von anderen Förderstaaten per Schiff gelieferte Flüssiggas (LNG) baut. „Der Bau von LNG-Importterminals an der Küste ist aufgrund der langen Bauzeiten und dem mittelfristig stark rückläufigen Erdgasbedarf nicht sinnvoll“, schreibt das Autorenteam Robin Sogalla, Christian von Hirschhausen, Franziska Holz und Claudia Kemfert. Stattdessen sollten die Erdgasimporte aus klassischen Lieferländern wie Norwegen oder den Niederlande deutlich ausgeweitet werden. Allein durch mehr Importe aus dem skandinavischen Land könnten etwa ein Fünftel der bisherigen russischen Einfuhren von mehr als 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr eingespart werden, die bislang etwa 55 Prozent der gesamten Gasimporte ausmachen.

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Umstieg auf Wärmepumpen

Auch könnten die bereits vorhandenen LNG-Terminals in den Niederlanden (Rotterdam), Belgien (Zeebrugge) und Frankreich (Dunkerque) genutzt werden, um mehr Flüssiggas über das europäische Pipelinenetz nach Deutschland zu leiten. Dadurch könnte mehr als ein Viertel des russischen Imports wegfallen. Weiterhin sei es notwendig, die vorhandenen Speicher rechtzeitig vor Beginn der Heizperiode im Winter 2022/23 auf 80 bis 90 Prozent aufzufüllen. Eine effizientere Nutzung des deutschen und europäischen Pipelinesystems zur Verbindung Deutschlands mit Südeuropa, wo Lieferungen von nordafrikanischen Ländern wie Algerien und Libyen ankommen, könnte künftig die Situation weiter entspannen.

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„Zwar reicht das zusätzliche Angebot nicht aus, um die gesamten bisherigen russischen Erdgasimporte zu ersetzen“, räumt das DIW ein. In Kombination mit einem rückläufigen Erdgasverbrauch könne die deutsche Energieversorgung jedoch gesichert werden. So könne der Bedarf zwischen 18 und 26 Prozent gesenkt werden - etwa durch den vollständigen Ersatz von Erdgas in der Stromerzeugung. Dadurch könne bis zur Hälfte der russischen Lieferungen wegfallen. „Während Erdgas im Stromsektor kurzfristig durch alternative Energieträger ersetzt werden kann, gehen die Einsparungen bei der Industrie mit einem Produktionsrückgang einher“, räumen die Expertinnen und Experten ein. „Die besonders betroffenen Branchen sollten daher entschädigt werden.“

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Bei den privaten Haushalten könne Erdgas meist nur durch eine geringere Nachfrage eingespart werden. Daher seien schnellstmöglich Energiesparkampagnen notwendig. „Darüber hinaus müssen jetzt rasch Maßnahmen umgesetzt werden, die die Energieeffizienz steigern und den Umstieg auf erneuerbare Wärme (in Verbindung mit Wärmepumpen) erleichtern“, so das DIW.