Die Gedenktafel an der Rückseite wurde von Unbekannten beschmiert – dem Tatti-Wirt Paul Benjamin Scheibe hat das überhaupt nicht gefallen. Foto: STZN/privat

Eine illegal an der Rückseite des Stuttgarter Rathauses angebrachte Gedenktafel für die Mordopfer in Hanau sorgt weiter für Diskussionen. Unbekannte haben sie jetzt besudelt – und ein Wirt gegenüber die Reinigung übernommen. Die Stadt will das Schild bald abhängen.

Stuttgart - Die vor wenigen Wochen illegal am Stuttgarter Rathaus angebrachte Gedenktafel zu Ehren der Opfer der rassistischen Morde von Hanau wird weiterhin emotional diskutiert. Jetzt ist sie selbst offenbar Ziel einer möglicherweise politisch motivierten Aktion geworden: Unbekannte haben die Tafel bereits vergangene Woche beschmiert. Ein Anarchie-Symbol, das vornehmlich von Linken, aber zuweilen auch von Rechten verwendet wird, verdeckte die Gesichter der Ermordeten aber nicht lange: Paul Benjamin Scheibe vom Café Tatti gegenüber wischte die Schmiererei weg. „Ich war entsetzt, als ich das gesehen haben“, sagte er unserer Zeitung.

Am Freitagmorgen habe er die Schmiererei entdeckt und sie dann mit Terpentin entfernt. „Ich fand es immer schön, zu sehen, wie Passanten anhalten, kurz innehalten“, sagte Scheibe. Manche hätten den Gedenkort mit Blumen gepflegt, wenn der Wind die Fotos der Opfer umgeweht habe, die unter der Tafel stehen, habe Scheibe sie wieder aufgestellt.

Runder Tisch soll passenden Gedenkort finden

Strafrechtlich verfolgt wird die Schmiererei allerdings nicht. Bei der Polizei ist keine Strafanzeige eingegangen. Die Gedenktafel wurde in einer „Aktion des zivilen Ungehorsams“, wie das Bündnis „Stuttgart gegen rechts“ das nennt und sich sich als Urheber bekannte, am Jahrestag des Anschlags Ende Februar an der Rathausrückseite angebracht, hängt also illegal dort.

Die Tafel bleibt weiterhin ein Politikum. Es zeichnet sich ab, dass ein Antrag der Linksfraktion, der fordert, dass die Gedenktafel unangetastet bleibt, keine Mehrheit im Stuttgarter Gemeinderat findet. Stattdessen soll laut einem interfraktioneller Antrag mit theoretischer Ratsmehrheit an einem runden Tisch über einen – wahrscheinlich anderen – Gedenkort diskutiert und die Erinnerung an die Morde so lebendig gehalten werden. Die AfD dagegen hat eine Anfrage gestellt, die unter anderem klären soll, ob die Stadt wegen der illegal angebrachten Tafel Strafanzeige stellen wird.

Tafel soll zunächst abgehängt werden

Die Stadt plant unterdessen, die Erinnerungstafel aus Gründen der Gleichbehandlung zunächst zu entfernen und der Initiative zurückzugeben. „Wir werden in Kürze auf die Initiative zugehen und das weitere Vorgehen besprechen“, sagte ein Sprecher der Stadt. Auch die Verwaltung ist auf die politische Forderung, einen passenden Gedenkort zu finden, eingestimmt: „Das Kulturamt wird ab der zweiten Jahreshälfte eine Gesamtstrategie zur städtischen Erinnerungskultur entwickeln.“ Dabei soll diskutiert werden, wie man der Menschen gedenkt, die Opfer von Rassismus und Gewalt geworden sind.

SÖS-Stadtrat Luigi Pantisano, der sich für den Erhalt der Tafel an der Rathausrückseite einsetzt, vermutet hinter der Schmieraktion trotz der eher linken Symbolik eine rechtsradikal motivierte Tat: „Das zeigt: Es gibt Rechte in der Stadt, die das beobachten, die Schmiererei zeigt die Probleme auf.“ Wer auch immer dahintersteckt: Solange es in Stuttgart Leute wie Paul Benjamin Scheibe gibt, werden die Übeltäter auf Widerstand stoßen.