Mit einem Lächeln und Trinkgeld bedanken sich die Gäste für einen guten Service. Foto: dpa/Gregor Bauernfeind

Ob in der Gastronomie, beim Friseur oder im Taxi – bei manchen Dienstleistungen ist es üblich, ein Trinkgeld zu geben. Hat sich die Großzügigkeit der Stuttgarter Kunden seit der Pandemie verändert?

Trinkgeld geben – das kennt man in Deutschland bereits seit dem späten Mittelalter. Ursprünglich wurde das wörtlich genommen: Der Spender bezahlte Fuhrleuten, Handwerkern, Boten einen kleineren Betrag, mit dem sie sich ein Getränk kaufen und auf sein Wohl trinken sollten.

In Deutschland ist es üblich, vor allem bei Dienstleistungen mit persönlichem Kontakt Trinkgeld zu geben, wie zum Beispiel in der Gastronomie. Ein Blick in Stuttgarts Restaurants zeigt, dass sich beim Trinkgeld etwas verändert hat.

Gestiegene Preise für Lebensmittel

„Tatsächlich bekommen wir seit Corona mehr Trinkgeld“, sagt eine Kellnerin aus dem Stäffele in der Stuttgarter Innenstadt, die ihren Namen nicht nennen möchte. Sie wundere sich selbst darüber. „Obwohl die Preise für die Mahlzeiten steigen, sind die Gäste dennoch bereit, mehr Trinkgeld zu zahlen“, sagt sie. Vor der Pandemie, so schätzt sie, waren im Stäffele durchschnittlich sechs Prozent Trinkgeld üblich, nun sind es zehn Prozent oder sogar mehr.

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Das gilt allerdings nicht für den Mittagstisch, wo traditionell weniger Trinkgeld gegeben wird. Denn abends verbringen die Gäste mehr Zeit im Restaurant und konsumieren auch mehr. „Vielleicht spielt auch der größere Alkoholkonsum eine Rolle“, sagt Natasche Biermann und lacht. Im Stäffele wird das eingenommene Trinkgeld unter den Servicekräften gerecht aufgeteilt; die Küche bekommt auch einen Teil davon ab.

Ein Teil des Trinkgeldes wird aufgeteilt

Leonardo Stephan, Kellner und Barkeeper im Amadeus am Charlottenplatz, hat ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass die Gäste zu Beginn der Coronazeit großzügiger mit dem Trinkgeld waren. „Sie wollten explizit uns Mitarbeiter unterstützen. Das lief auf der persönlichen Ebene ab“, sagt er. Doch inzwischen habe sich das Trinkgeld wieder bei den vor der Pandemie üblichen acht Euro im Durchschnitt eingependelt. „Über mehr Trinkgeld freut man sich natürlich immer, aber meine Kollegen und ich sind im Großen und Ganzen zufrieden“, sagt er. Auch im Amadeus wird ein kleiner Teil des Trinkgelds an Küche und Bar abgegeben.

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Daniel Ohl, der Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in Baden-Württemberg, hat aus der Branche unterschiedliche Rückmeldungen bekommen. „Manche Gäste sind vielleicht aktuell sparsamer. Aber vielen ist auch sehr bewusst, dass es Hotels und Gastronomie in letzter Zeit schwer hatten“, sagt Ohl. Bei den meisten Betrieben seien zehn Prozent Trinkgeld nach wie vor üblich: „Das gilt in ganz Deutschland. Und wir Schwaben sind da auch nicht geiziger.“

Taxibranche in der Krise

In der Stuttgarter Taxibranche hat man nicht die Erfahrung gemacht, dass die Fahrgäste seit Corona mehr Trinkgeld spendieren. „Wir wären schon froh, wenn die Leute überhaupt wieder anfangen würden, mit uns zu fahren“, sagt Iordanis Georgiadis vom Stuttgarter Taxiverband. Die Branche habe sich noch nicht wieder erholt. Marktüblich sei es, zehn Prozent Trinkgeld zu geben.

„Im Taxi ist es üblich, den Betrag aufzurunden“, sagt Linda Kaiser, die stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Knigge-Gesellschaft. Doch angesichts der gebeutelten Branche und der gestiegenen Spritpreise appelliert sie an die Fahrgäste, sich – wenn möglich – großzügig zu zeigen.

Empfehlungen der Deutschen Knigge Gesellschaft

Wer sich unsicher ist, wie hoch ein Trinkgeld sein sollte, kann sich an den seit vielen Jahren geltenden Standards orientieren, die auch von der Knigge-Gesellschaft empfohlen werden. Demnach sind in der Gastronomie fünf bis zehn Prozent üblich; beim Lieferdienst gelten ein bis zwei Euro pro Fahrt. Auch dem Handwerker kann man je nach Aufwand ein kleines Trinkgeld geben oder auch mal beispielsweise ein Mittagessen spendieren. „Man müsste aber vorher absprechen, ob das erwünscht ist“, betont Kaiser. Im Hotel sollten die Gäste dem Zimmerservice ein bis zwei Euro Trinkgeld pro Tag bezahlen. Aber auch da gilt, laut Kaiser, die Verhältnismäßigkeit: „Wenn man sich eine teure Suite leistet, können das auch mal fünf bis zehn Euro sein.“ Pro Gepäckstück, das ein Angestellter ins Zimmer trägt, sollten ebenfalls ein bis zwei Euro gegeben werden. Beim Friseur sind fünf bis zehn Prozent üblich.

Wer selbst nur wenig Geld zur Verfügung hat, aber eine Dienstleistung in Anspruch nimmt, muss seine Zufriedenheit mit der Dienstleistung nicht finanziell zeigen, sondern kann sie auch verbal äußern und sich durch gutes Benehmen zu einem angenehmen Gast machen. „Ein freundliches Wort ist manchmal auch sehr viel wert“, findet die Expertin. Wer sich dagegen über einen schlechten Service geärgert hat, sollte das Gespräch suchen und der Person damit eine zweite Chance geben. „Es gibt natürlich keine Verpflichtung, Trinkgeld zu geben. Doch das Trinkgeld ohne ein Gespräch zu verweigern, ist kein guter Stil“, sagt Kaiser.

Trinkgeld in Urlaubsländern

Ausland
Am meisten Trinkgeld gibt man in den USA und Kanada mit 15 bis 20 Prozent. In Ägypten und Frankreich gibt man mit 10 bis 15 Prozent ebenfalls vergleichsweise viel Trinkgeld. In Großbritannien, Spanien, Italien, Portugal, Kroatien, Griechenland, Marokko, der Türkei und Tunesien sind rund zehn Prozent üblich. Schlusslichter sind Österreich und Skandinavien mit fünf bis zehn Prozent. Wie in Deutschland ist der Service dort im Preis enthalten, dieser wird aber in der Regel trotzdem um mindestens fünf Prozent aufgerundet. Am meisten Trinkgeld gibt man in den USA und Kanada mit 15 bis 20 Prozent.

No go
In China und Japan wird dagegen Trinkgeld fernab internationaler Hotels oft als Beleidigung empfunden.