Das „C“, das Greenpeace einmal geklaut hatte, ist wieder da. Aber jetzt kommt der CDU-Zentrale die Chefin abhanden – mit zunächst unabsehbaren Folgen. Foto: dpa/Paul Zinken

Nach Annegret Kramp-Karrenbauers angekündigtem Rückzug bleibt vieles in der angeknacksten Union offen – immerhin in einem Punkt ist man inzwischen klüger.

Berlin - Am Tag nach dem politischen Beben, das die Hauptstadt erschüttert hat, herrscht in der CDU noch großes Rätselraten. Der Fahrplan, den Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Bekanntgabe ihres Rückzugs skizziert hat, wirft viele Fragen auf.

Schon jetzt ist klar, dass der am Montag von Kramp-Karrenbauer vorgeschlagene Zeitplan hinfällig ist. Bis zum Sommer hatte sie einen Auswahlprozess für den nächsten Kanzlerkandidaten aufsetzen und im Herbst darüber entscheiden wollen. Der Stuttgarter Bundesparteitag Anfang Dezember sollte die Personalie dann formal beschließen – und zugleich den Kandidaten oder die Kandidatin in den CDU-Chefsessel hieven. Eine solch lange Phase personeller Unklarheit aber ist nicht mehrheitsfähig in der Union. „Krisenhafte Situationen bewältigt man nicht durch das Zelebrieren der Krise“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, „sondern durch Handeln.“ Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sieht die Lage als CDU-Bundesvize ähnlich. „Wir werden das schneller entscheiden.“ Selbst das Umfeld von „AKK“ geht nun davon aus, dass es im März „nach der bayerischen Kommunalwahl zu einer personalpolitischen Dynamik kommt“.

Die von Kramp-Karrenbauer vorgeschlagene Reihenfolge – erst einen Kanzlerkandidaten finden, um ihn dann zum CDU-Chef zu machen – steht ebenfalls in Frage. Nicht unbedingt deshalb, weil CSU-Chef Markus Söder so gar nicht Kanzlerkandidat werden könnte. Bayerns Ministerpräsident will ohnehin nicht. Problematisch ist vielmehr, dass die Schwesterpartei CSU in diesem Szenario nicht nur direkt über die gemeinsame Unionskanzlerkandidatur mitentscheiden würde, sondern auch darüber, wer die CDU führt. Diese Verantwortung wollen die Bayern gar nicht. Die Christdemokraten müssten erst unter sich ihre Führungsfrage klären, sagte deshalb CSU-Generalsekretär Markus Blume in München, danach werde man gemeinsam die Kanzlerkandidatur klären.

Das genaue Format der Runde, die die so wichtige Personalentscheidung treffen soll, steht noch nicht fest. Klar ist, dass den Spitzen beider Unionsparteien eine zentrale Rolle zukommt, erweitert um den potenziellen Bewerberkreis, der bisher aus NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Gesundheitsminister Jens Spahn und Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz besteht. Die drei Nordrhein-Westfalen sollen bereits in Kontakt stehen. Ob auch der heutige Fraktionschef Ralph Brinkhaus zu den Kandidaten zählen wird, ist offen – zumindest wurde er in der Fraktionssitzung am Dienstag von einem Abgeordneten dazu aufgefordert. Unaufgefordert wiederum hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt, sich „auf diesem Weg der Nominierung eines Kanzlerkandidaten“ mit Kramp-Karrenbauer absprechen zu wollen.

Anders als zuletzt die Sozialdemokraten werden die Christdemokraten, wie schon auf dem Leipziger Parteitag beschlossen, kein Mitgliedervotum durchführen. Regionalkonferenzen wie nach Merkels Rückzug vom Parteivorsitz im Herbst 2018 scheinen derzeit unwahrscheinlich, da die Personalentscheidung in kleiner Runde fallen und von einem vermutlichen vorgezogenen Sonderparteitag bestätigt werden soll.

Kramp-Karrenbauer hat erklärt, dass das Nebeneinander von Parteichefin und Kanzlerin nicht funktioniert hat. Heißt das, dass der künftige Parteichef gleich Kanzler werden und Merkel ablösen soll, um eine Wiederholung zu vermeiden? Diese Stimmen gibt es. Allerdings hat die Kanzlerin von Gesetzes wegen eine starke Stellung, und die SPD hat wiederholt erklärt, keinen anderen CDU-Regierungschef wählen zu wollen. An der Unionsspitze herrscht bisher die Meinung vor, dass ein in der Partei breit getragener Kanzlerkandidat eine Reihe von Monaten neben Merkel agieren könne, da seine künftige Rolle – anders als bei AKK – geklärt wäre.