VfB-Profi Anastasios Donis (links) und Michael Parensen behaken sich. Foto: Sebastian Gollnow/dpa - Sebastian Gollnow/dpa

Die Voraussetzungen für das Relegations-Rückspiel des VfB Stuttgart gegen Union Berlin am Montag sind nicht gut. Doch die VfB-Profis geben noch nicht auf.

StuttgartNach dem 2:2 gegen Union Berlin sind die Stuttgarter ihre Favoritenrolle vor dem Relegationsrückspiel los. Zudem ist die Stimmung gekippt. Doch der Kapitän Christian Gentner und Kollegen geben nicht auf. Wir blicken vor der Partie an der Alten Försterei am Montag (20.30 Uhr) auf die ungleichen Voraussetzungen.

Euphorie gegen Ernüchterung: Als Favorit ist der VfB in die Relegation gestartet – doch nach dem befremdlichen, weil wenig engagierten Auftritt des Erstligisten vor mit 58 618 Fans vollem Haus haben sich die Vorzeichen gedreht. Der Vorteil liegt nun bei Union Berlin. „Nach unserem Treffer zum 1:1 haben wir gemerkt, dass hier etwas möglich ist“, sagte Union-Cheftrainer Urs Fischer. Sein Team hat Blut geleckt. Nachdem Union am letzten Spieltag der zweiten Liga beim 2:2 in Bochum den direkten Aufstieg knapp verpasste, sind die Profis der Eisernen nun wieder obenauf. Der erste Aufstieg der Clubgeschichte in die Bundesliga scheint zum Greifen nah.

Der VfB stellt derweil trotz eines Unentschiedens den gefühlt klaren Verlierer. Bei ihrem Gang vor die Fans mussten sich die Spieler nach dem Schlusspfiff von den Ultras in der Cannstatter Kurve gar wüste Beschimpfungen anhören. Lange war die Mannschaft zuvor vom Publikum frenetisch unterstützt worden – erst in der Schlussphase wendete sich ein Teil der abermals böse enttäuschten Anhänger ab.

Mario Gomez, dem sechs Minuten nach seiner Einwechslung zur zweiten Hälfte der Treffer zur 2:1-Führung mit einem Kraftakt gelungen war, gefällt die Stimmungslage gar nicht. Der Torjäger fordert eine Trotzreaktion: „Wenn man an sich glaubt und wenn man weiß, dass man in Berlin gewinnen kann, dann geht man erhobenen Hauptes hier raus und sagt: Wir haben eine zweite Chance.“ Der Kapitän Christian Gentner, der das Tor zum 1:0 für die Stuttgarter erzielt hatte, ergänzte: „Es ist sicher kein Traumergebnis – aber die Chancen stehen 50:50. Wir sind noch nicht abgestiegen.“

Heimstärke gegen Auswärtsschwäche: „Zu Hause haben wir eine Festung“, sagt der Berliner Mittelfeldspieler Grischa Prömel, 24, der in Bad Cannstatt geboren wurde und in der Jugend des TSV RSK Esslingen spielte. Und der Kopfball-Torschütze zum 2:2-Endstand vom Donnerstagabend, Marvin Friedrich, ergänzt: „Die Försterei wird brennen.“ Den VfB erwartet im Rückspiel am Montagabend vor 2200 mitgereisten Stuttgarter Fans in den Wäldern von Berlin-Köpenick also ein ganz heißer Tanz vor einer speziellen Kulisse.

Angefeuert von Ritter Keule, dem Morgenstern schwingenden Club-Maskottchen der Eisernen, und zu Hardrock-Klängen aus den Stadion-Boxen bringt sich das Publikum in der 22.000 Fans fassenden Alten Försterei in Schwung. Die Euphorie von den Rängen überträgt sich im Berliner Südosten meist auf die Union-Spieler: Lediglich ein Heimspiel (1:3 gegen Paderborn) haben die Rot-Weißen in dieser Spielzeit verloren – der VfB hat in dieser Runde auswärts nur beim 2:0 in Nürnberg gewonnen. Ein schlechtes Omen?

Klar ist: Will der VfB die Klasse halten, sollte er an der Alten Försterei am besten siegen, was beim Stand von 2:2 nach 90 Minuten auch über die Verlängerung und möglicherweise über ein Elfmeterschießen geschehen kann. Auch ein Unentschieden mit vielen Toren von einem 3:3 an aufwärts würde den Stuttgartern reichen, da die Relegation im Europapokal-Modus gespielt wird, wonach die auswärts mehr erzielten Tore bei Gleichstand den Ausschlag geben. Klappt dies nicht, ist der VfB zum zweiten Mal binnen drei Jahren abgestiegen. „Wir haben Respekt vor der Kulisse“, sagt der Interimstrainer Nico Willig: „Aber mit Respekt allein werden wir das Spiel nicht gewinnen.“

Erfahrung gegen Unbekümmertheit: Die Alten gehen voran. Christian Gentner und Mario Gomez haben die Treffer gegen Union erzielt, der Torhüter Ron-Robert Zieler hat den VfB mit mehreren Paraden im Spiel gehalten. Auch Daniel Didavi war anzumerken, dass er unbedingt helfen wollte, seinen Verein in der Bundesliga zu halten. Viel Herz ist da dabei, aber eben nicht die körperliche Fitness, die es erfordert, um diesen guten linken Fuß einzusetzen. Didavi spielte schwach, und im Gegensatz zu dem 29-jährigen Mittelfeldspieler rafften sich Gentner und Gomez noch einmal zu einer Energieleistung auf. Sie wollen der Mannschaft Halt geben – auf und neben dem Platz.

„Nur so viel: Das war’s noch nicht“, sagt Gomez. Auch Gentner betont, dass die Chance auf den Klassenverbleib weiter besteht. „Wir werden aber Tore brauchen“, meint der Kapitän. Und Zieler sagt: „Es wäre naiv gewesen, zu denken, dass sich die Relegation in den ersten 90 Minuten entscheidet.“ Gerade der Blick auf das Rückspiel schien die VfB-Elf in der Mercedes-Benz-Arena jedoch zu bremsen.

Zu viel Kontrolle und zu wenig Mut war im Stuttgarter Spiel. Auch weil Gonzalo Castro und Christian Gentner im Zentrum das Tempo drosselten. So verpuffte die Chance nach der zweiten Führung nachzulegen. Denn nach zehn Minuten hatten sich die Gäste wieder gefangen – und schlugen durch den Innenverteidiger Marvin Friedrich zurück.

Mit den zwei Auswärtstoren lebt nun der Berliner Traum vom „Urlaub in der Bundesliga“. Mit diesen Worten hatte der Vereinschef Dirk Zingler das Vorhaben beschrieben, nach einigen Versuchen schon recht bald aufsteigen zu wollen. Und jetzt fühlen sich die Eisernen in ihrer Unbekümmertheit mehr denn je bereit.

Wettkampfhärte gegen Showeinlagen: Die große Bühne ist bereitet. Dachte sich Anastasios Donis. Ein wichtiges Spiel, ein volles Stadion, reichlich Fernsehpublikum und hatte er nicht gerade gezeigt, dass er schneller als all diese zweitklassigen Berliner ist? Da war es Mitte der zweiten Hälfte doch an der Zeit die Donis-Show fortzuführen – mit ein paar Tricks. Den Buffy-Ettmayer-Gedächtnisschuss (Schussbein hinter dem Standbein statt daneben) und die Zinedine-Zidane-Pirouette (Drehung auf dem Ball um Gegner herum) brachte der Grieche zur Aufführung. Im Relegationsspiel!

Also ausgerechnet wenn es unmittelbar gegen den Abstieg geht, kommt Donis mit seinen Kunsteinlagen statt mit klaren Aktionen daher. Szenen, die verdeutlichen wie Donis tickt und welche Problematik sich damit für den VfB verbindet. Der Angreifer ist ein Ego-Shooter, der den Erfolg der Mannschaft hinter der eigenen Schönspielerei einordnet. Donis scheint zudem die nötige Ernsthaftigkeit selbst in dieser für den Club brenzligen Lage abzugehen. Und er neigt zur Selbstüberschätzung („Wir haben das bessere Team.“).

Im Grunde hätte Nico Willig den Angreifer mit den wilden Aktionen auswechseln müssen, umgehend. Doch der Trainer weiß, dass er Donis braucht, wenn die Stuttgarter ein Spiel gewinnen wollen. Donis kann mit seiner individuellen Qualität den Unterschied ausmachen – wie er mit dem sensationellen Sprint vor dem 1:0 durch Christian Gentner demonstrierte. Im Kontrast zu Donis’ Solonummern steht dann der Berliner Pragmatismus. Ein Kollektiv, das kompakt verteidigt und den fußballerischen Feingeistern aus Stuttgart mit Wettkampfhärte begegnet. An ihr droht der VfB nun zu scheitern, da man nicht wissen kann, ob Donis die Alte Försterei in Berlin-Köpenick als zu kleine Bühne für sein großes Ego empfindet.

Ascacibar darf wieder

Nach seiner Spuckattacke gegen den Leverkusener Kai Havertz vom 13. April ist die Sperre von Santiago Ascacibar abgelaufen. Der defensive Mittelfeldspieler ist am Montag im Rückspiel wieder spielberechtigt.

Steven Zuber wurde derweil für Chadrac Akolo in der Schlussphase des Hinspiels eingewechselt. Jetzt hofft der lange am Knie verletzte Schweizer auf einen Einsatz von Beginn an. „Trotz des enttäuschenden Ergebnisses war es für mich persönlich gut, wieder Fuß zu fassen“, sagte der Mittelfeldspieler, der aus Hoffenheim bis Saisonende ausgeliehen ist.

Mit einem bandagierten Oberschenkel verließ Daniel Didavi nach dem 2:2 gegen Union Berlin am Donnerstagabend das Stadion. Der Mittelfeldspieler, der zur Pause ausgewechselt worden war, hatte einen Schlag abbekommen. Die Verletzung soll aber nicht schwerwiegend sein.

Am Freitag hatten die VfB-Spieler trainingsfrei, an diesem Samstag wird hinter verschossenen Toren trainiert.