Aktivisten der Umweltschutz-Organisation Extinction Rebellion tragen bei einer Demonstration parallel zum Weltklimagipfel COP 26 ein Transparent mit der Aufschrift «Stop Killing Us» (Hört auf, uns zu töten). Foto: dpa/Alastair Grant

Die Europäische Union tritt bei der COP 26-Konferenz in Glasgow sehr fordernd auf. Doch in den eigenen Reihen wird über den richtigen Weg zu den ausgerufenen Klimazielen heftig gestritten.

Brüssel - Die Europäische Union tritt bei der Klimakonferenz in Glasgow geschlossen auf. Das ist eine sehr gute Nachricht, schließlich ist die EU einer der mächtigsten Wirtschaftsräume der Welt und nur das Wort eines geeinten Europas hat im Kampf gegen den Klimawandel entsprechendes Gewicht. Im Gegensatz zu China und Russland, deren leitendes Personal beim COP 26 demonstrativ durch Abwesenheit glänzt, hat sich die EU überaus ehrgeizige Ziele gesteckt. „Europa will der erste klimaneutrale Kontinent werden“, wird EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nicht müde zu erklären.

Der Green Deal – ein Jahrhundertprojekt

Das große europäische Projekt dieses Jahrhunderts heißt Green Deal, er ist das Herzstück der politischen Agenda in Brüssel. Eines der erklärten Ziele ist, die Treibhausemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken. „Dieser Wandel für Wirtschaft und Gesellschaft wird nicht nur zu weniger Emissionen, sondern auch zu mehr Innovation und Investitionen, Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum führen“, wirbt Ursula von der Leyen für den europäischen Weg. In ihren Augen ist der Green Deal eine einzigartige Chance für die Europäische Union, der vor allem Gewinner mit sich bringen wird.

Auf der Konferenz in Glasgow sind aber auch all jene Länder zu Gast, in denen weniger die Möglichkeiten, sondern vor allem die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme im Kampf gegen die Erwärmung der Erdatmosphäre gesehen werden. Europas Politiker nutzen sehr gerne den Hinweis auf China, Indien oder Australien, um die eigenen Anstrengungen noch besser aussehen zu lassen. Unterschlagen wird dabei, dass auch Europa weit davon entfernt ist, in Sachen Green Deal mit einer Stimme zu sprechen. Wie fragil der Kompromiss der 27 EU-Mitglieder ist, zeigte sich ausgerechnet kurz vor dem COP 26-Gipfel. Angesichts der explodierenden Energiepreise waren einige Staaten vor allem in Osteuropa sehr schnell bereit, viele Klimaziele kurzerhand über Bord zu werfen.

Rütteln am Fundament des Green Deal

„Der Grund, warum die Preise steigen, ist teilweise die Schuld der Kommission“, betont etwa der ungarische Premierminister Viktor Orban immer wieder. Er bezieht sich dabei auf das Emissionshandelssystem der EU, bei dem etwa Stromanbieter für den Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 zahlen müssen. Die EU plant, dieses System auf Gebäude und den Straßenverkehr auszuweiten. In Deutschland ist dies bereits der Fall. Dieser Emissionshandel ist eines der Kernelemente der EU-Klimapolitik, Orban rüttelt mit seiner Kritik also am Fundament des Green Deal.

In Ungarn, wo viele arme Familien nicht wissen, wie sie im kommenden Winter ihre Stromrechnungen bezahlen sollen, macht der Premier mit seinen markigen Sätzen natürlich Punkte. Auch in Polen, wo rund 80 Prozent der Energie aus Kohle gewonnen wird, geht die Angst vor weiteren Preissteigerungen um, die Abneigung gegen den Green Deal ist entsprechend hoch. Da hilft es wenig, wenn EU-Umweltkommissar Frans Timmermans immer wieder erklärt, dass solchen Aussagen wie von Orban schlicht die Grundlage fehle, weil das Emissionshandelssystem nur in sehr geringem Maße an dem gegenwärtigen Preisanstieg beteiligt sei. Angesichts der Erfahrungen in der aktuellen Energiekrise möchte Peter Liese, deutscher CDU-Abgeordneter und Mitglied im Umweltausschuss des Europaparlaments, dass die soziale Komponente des Projektes verstärkt wird. „Durch den Emissionshandel haben wir Einnahmen, mit denen wir Schwache unterstützen können“, erklärt er.

Atomenergie wird erneut zum Streitthema

Doch nicht nur die ärmeren Staaten im Osten der EU versuchen, im letzten Augenblick den Green Deal zu verwässern. Ein großes Streitthema ist die Atomenergie. Frankreich pocht darauf, Kernkraft als grüne und damit nachhaltige Energie zu klassifizieren. „Wenn wir erfolgreich im Kampf gegen den Klimawandel sein wollen, brauchen wir eine Atomproduktion, Atomkraftwerke und mehr Investitionen in Atomenergie“, erklärte jüngst der französische Finanzminister Bruno Le Maire. Doch aus Deutschland bekam er eine ziemlich rüde Abfuhr für diese Forderung. „Die Zukunft liegt in den erneuerbaren Energien und nicht in der Atomenergie“, konterte die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Der Graben zwischen diesen beiden Ansichten der wichtigsten Staaten der Europäischen Union könnte tiefer nicht sein.