Weltweit protestieren Menschen wie hier in Berlin gegen das Regime im Iran. Foto: dpa/Annette Riedl

Erst spät erwacht in Europa das Bewusstsein, dass die Jugend im Iran Unterstützung verdient hat, kommentiert Christopher Ziedler.

Zweieinhalb Wochen liegt der Tod von Mahsa Amini inzwischen zurück. Weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen hatte, war sie von der iranischen Sittenpolizei festgenommen und in Haft derart misshandelt worden, dass sie starb. Den Beteuerungen des Regimes, sie habe einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall erlitten, glauben immer weniger Menschen im Iran. Demonstrativ traten in der Folge viele Frauen ohne Kopftuch in der Öffentlichkeit auf, vor rund einer Woche haben sich die Proteste stark ausgeweitet, von einem regelrechten Aufstand gegen das seit 1979 bestehende Mullah-Regime lässt sich inzwischen sprechen. Dass es seine Macht ernsthaft gefährdet sieht, zeigt das brutale Vorgehen gegen Studentinnen und Studenten einer Teheraner Uni am Wochenende.

Die Europäische Union beweist außenpolitische Trägheit

Bedauerlich spät erwacht in der deutschen und europäischen Politik das Bewusstsein dafür, dass der Freiheitskampf des jungen Iran Unterstützung verdient hat. Zwar hatte Außenministerin Annalena Baerbock schon vorige Woche neue Sanktionen ins Spiel gebracht, ernsthaft diskutiert wird darüber auf EU-Ebene aber erst jetzt, bis zu einem Beschluss werden weitere Tage vergehen. Während die USA bereits vorausgegangen sind, beweist die Europäische Union wieder einmal außenpolitische Trägheit.

Es stimmt, dass die Handlungsmöglichkeiten begrenzt sind, wie Baerbock am Montag beklagte. Es ist auch richtig, dass die EU gerade mit dem Ukrainekrieg vor der eigenen Haustür vollauf beschäftigt ist. Gleichwohl drängt sich ein unschöner Eindruck auf: Wer seit gut zwei Jahrzehnten versucht, über Verhandlungen die vom Iran ausgehende atomare Gefahr einzudämmen, hat möglicherweise vergessen, welche Gefahr das Regime für seine eigene Bevölkerung darstellt.