Gewohntes Bild – der FC St. Pauli bejubelt in dieser Saison einen Sieg. Foto: imago/

Der einstige Weltpokalsiegerbesieger FC St. Pauli peilt den Aufstieg in die erste Liga an – und will nun mit seinem speziellen Stil im DFB-Pokal Borussia Dortmund ärgern.

Stuttgart/Hamburg - Vor fast genau 20 Jahren waren die Sensations-T-Shirts nach dem Coup schnell gedruckt. Der FC St. Pauli bezwang den FC Bayern am Millerntor in der Bundesliga mit 2:1 – und war hinterher nicht nur in weißer Schrift auf seinen braunen Shirts der Weltpokalsiegerbesieger. Bis heute sind die Leibchen ein Verkaufsschlager.

An diesem Dienstag könnte es am Millerntor wieder eine Überraschung geben. Die wäre ein bisschen kleiner, denn mit Borussia Dortmund kommt nun nicht mehr ein amtierender Weltpokalsieger nach Hamburg, sondern „nur“ der DFB-Pokalsieger. T-Shirts mit der Aufschrift „Pokalsiegerbesieger“ sind also wohl eher nicht in Planung.

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Der Pokal, darauf hoffen sie beim FC St. Pauli vor dem Achtelfinale (20.45 Uhr/ARD), hat zwar seine eigenen Gesetze. Aber er hat im Erfolgsfall selbst für findige Pauli-Produzenten wohl keine T-Shirts. Auch die nahe Reeperbahn würde nach einem möglichen Sieg gegen den BVB, auch coronabedingt, schon größeren Wirbel erlebt haben – etwa die Sause am legendären Abend des 6. Februar 2002 nach der Sensation gegen die Bayern.

Auf nach Berlin?

Es ist ja auch so beim Kiezclub: Über allem steht der Aufstieg in die erste Liga, der Pokal ist für den Zweitliga-Spitzenreiter ein Höhepunkt außer der Reihe. Aber mit Blick auf die Leistungen in dieser Saison und den BVB als Achtelfinalgegner ist eines klar: Wer es bis ins Viertelfinale schafft, kann das Endspiel von Berlin ins Auge fassen. Zumal der große FC Bayern ja schon ausgeschieden ist.

Auch gegen den BVB bauen die in dieser Saison im Millerntor-Stadion unbesiegten Kiezkicker (acht Siege, ein Remis) nun auf ihre Heimstärke. Trainer Timo Schultz (44) sagt: „Auch wenn wir nicht der Favorit sind, wollen wir unseren Fußball gegen Dortmund durchziehen.“ Diese Aussage passt perfekt zur Schultz-Maxime, die da heißt: „Pessimismus passt nicht nach St. Pauli.“

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Schwarzmalereien passen derzeit ohnehin kaum zu den Braun-Weißen, die unter Schultz eine erstaunliche Entwicklung genommen haben. Der Architekt des Erfolgs ist Paulianer durch und durch, der Ostfriese wurde nach seiner Spielerkarriere am Millerntor (von 2005 bis 2012) Co-Trainer des Profiteams, danach trainierte er die U 17, die U 19 und die zweite Mannschaft. Vor der vergangenen Saison stieg er zum Chefcoach auf – und startete nach schwierigem Beginn durch. Als Tabellenvorletzter im Januar eroberte das punktbeste Zweitliga-Team im Kalenderjahr 2021 (40 Spiele, 75 Zähler) unter Schultz die Spitze und hat derzeit vier Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz.

Brutale Ehrlichkeit

St. Pauli spielt attraktiven Offensivfußball, schnörkellos soll es nach vorne gehen. Denn St. Pauli, das ist Schultz‘ Maxime, verträgt keine lahmen Kompromisse – auf und außerhalb des Platzes. „Wir müssen uns Sachen raussuchen, die wir auf unsere Weise machen, die wir besser machen als die anderen“, sagt der Trainer, der seinen Spielern mit „einer brutalen Ehrlichkeit“ begegnet.

Denn nur so, glaubt Schultz, lässt sich eine Gruppe formen. Jeder im Kader weiß also, woran er ist. Auch, wenn es mal unangenehm ist. Klare Kante auf dem Platz (schneller Offensivfußball), klare Kante daneben (schonungslose Offenheit), das ist, wenn man so will, Pauli pur unter Schultz – der wie der gesamte Club unabhängig vom Ausgang des DFB-Pokalduells gegen den BVB einen großen Traum für diesen Sommer hat: Aufsteigen und den großen Stadtrivalen namens Hamburger SV hinter sich lassen.

Den nächsten Schritt in diese Richtung kann St. Pauli an diesem Freitag tun: Dann steigt das Hamburger Derby im Volkspark.