Marco Goecke probt für sein neues Stück „Yesterday’s Scars“ mit Tänzern von Eric Gauthier in Stuttgart. Foto: Jeanette Bak/GD

Marco Goecke, langjähriger Haus-Choreograf des Stuttgarter Balletts, erhält den Deutschen Tanzpreis 2022. Erstmals wird die Auszeichnung geteilt.

Am 12. April ist Marco Goecke fünfzig Jahre alt geworden. In letzter Zeit quäle ihn das Gefühl, nun alt zu sein, scherzte der Choreograf vor kurzem. Wie mag er sich da angesichts dieser Nachricht fühlen? Der Deutsche Tanzpreis 2022 geht unter anderen an ihn, das gab der Dachverband Tanz an diesem Mittwoch bekannt. Neben Goecke wird der Choreograf Christoph Winkler mit der erstmals geteilten und mit jeweils 10 000 Euro dotierten Auszeichnung gewürdigt. Reinhild Hoffmann erhält einen Ehrenpreis, auch mit 10 000 Euro dotiert.

Während Goecke dem klassischen Ballett neue Impulse gibt, sorgt Winkler, der über Sport und Musik-Videos zum Tanz fand, in der freien Szene für Aufsehen.

Eins steht fest: Verglichen mit den anderen Preisträgern, die in diesem Jahrhundert die wichtigste Auszeichnung der deutschen Tanzszene, erhielten, dürfen sich der 1967 geborene Winkler und Goecke, Jahrgang 1972, richtig jung fühlen. So an die siebzig heran musste man schon kommen, um zum Preisträger-Kandidatenkreis zu zählen. William Forsythe immerhin hat den Deutschen Tanzpreis 2004 im Alter von 55 Jahren erhalten. Wie Forsythe ist auch Goecke, aktuell Ballettdirektor in Hannover, ein Ausnahmekünstler, der heute in der Ballettwelt Maßstäbe setzt – qualitativ, aber ebenso mit dem Umfang seines Werks, das rund 80 Stücke umfasst, darunter Handlungsballette wie „Nussknacker“ und „Orlando“.

13 Jahre lang war Goecke Haus-Choreograf in Stuttgart

Forsythe und Goecke eint zudem, dass sie Haus-Choreografen des Stuttgarter Balletts waren. Das Bedauern darüber, Goecke 2018 nach 13 Jahren als solchen verloren zu haben, ist bei vielen Stuttgarter Ballettfans noch präsent und wird bei Meldungen wie der Tanzpreis-Nachricht oder Premieren wie den „New Works“ im Juni vergangenen Jahres noch präsenter: Das Duett „Nachtmerrie“, das Goecke für die jungen Tänzer Mackenzie Brown und Henrik Erikson schuf, zeigt einen Künstler, der auf dem Höhepunkt und bei sich selbst angekommen ist. Sanfter ist heute das für Goecke typische nervöse Flattern der Bewegungen, weniger lastend die Dunkelheit als 2005 bei „Sweet Sweet Sweet“, seinem erstem Auftragswerk für das Stuttgarter Ballett. Damals gab es Buhrufe, heute versteht man die Abgründe, die sich in seinen Balletten auftun.

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Als Resident Choreographer von Gauthier Dance bleibt Marco Goecke weiterhin mit Stuttgart verbunden, einer Stadt, an der er schätzt, dass Kultur im Allgemeinen und der Tanz im Besonderen einen hohen Stellenwert genießen. Bei Gauthier Dance ist an diesem Samstag auch Goeckes nächste Uraufführung zu sehen: Im Rahmen der Premiere von „Sevens Sins“ kümmert er sich im Todsünden-Reigen unter dem Titel „Yesterday’s Scars“ um die Völlerei.