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Dass es bei CDU und SPD lange Gesichter geben wird, war absehbar – Umfragen im Vorfeld der Europawahl hatten den beiden Volksparteien herbe Verluste prognostiziert. Dass es aber so hart kommen würde, schockierte die Stuttgarter Politiker gestern Abend sichtlich. Denn auch bei der Kommunalwahl droht ihnen laut einer Prognose des Meinungsforschungsinstitutes Infratest Dimap im Auftrag des SWR ein Desaster.
Als kurz nach 18 Uhr die Umfragewerte auf der Leinwand im Großen Sitzungssaal bekannt gegeben wurden, brach Jubel bei den Grünen aus: Mit 29,5 Prozent (plus 5,5 Prozentpunkte) könnte die Ökopartei aus der Gemeinderatswahl hervorgehen. „Ich habe mit einem guten Ergebnis gerechnet, aber so ein dickes Plus – ich bin total begeistert“, sagte Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn freudestrahlend. Allerdings verwies er darauf, dass es sich bei den Zahlen nur um eine Prognose handele: „Am Dienstag wissen wir mehr.“ Die Spitzenkandidatin Gabriele Nuber-Schöllhammer führt den Erfolg auf eine „konsequente Politik“ zurück: „Wir haben gute Themen.“ Im Wahlergebnis sieht sie den Auftrag ihrer Partei, „ein andres Denken in die Stadt zu bringen“.
Am Stehtisch nebenan herrschte Fassungslosigkeit: Die CDU droht der Absturz auf magere 18,0 Prozent – das wären 10,3 Prozentpunkte weniger als vor fünf Jahren und der Verlust des Status’ als stärkste Fraktion im Gemeinderat. Noch nie zuvor haben die Christdemokraten so schlecht abgeschnitten. Fraktionschef und Spitzenkandidat Alexander Kotz glaubt, dass seine Partei vor allem für die Bundespolitik abgestraft wurde – und mit lokalen Themen nicht punkten konnte. Kreisparteichef Stefan Kaumann verwies auf ein „offenbar besseres Agendasetting der Grünen“. Die SPD hat vergleichsweise geringe Verluste, sie kommt laut der Prognose auf 12 Prozent (minus 2,3) – ein historischer Rekord. „Das ist kein gutes Ergebnis“, räumte Fraktionschef und Spitzenkandidat Martin Körner ein. Auch für die Freien Wähler (6,5 Prozent, minus 0,6) setzt sich der Abwärtstrend fort. Die AfD kann laut Prognose leicht zulegen und erreicht 5 Prozent (plus 0,3) , die FDP steigert sich auf 7,5 Prozent (plus 1,6), und die Linke legt zu auf 6,0 Prozent (plus 1,5). „Damit sind wir sehr zufrieden“, sagte Spitzenkandidat Thomas Adler. SÖS-Spitzenkandidat Hannes Rockenbauch wartete vergeblich auf eine Zahl: Seine Initiative fiel in der Prognose unter „Sonstige“, die 15,5 Prozent der Stimmen holten.
Ob sich diese Umfragewerte bestätigten werden, bleibt abzuwarten. Heute Nachmittag liegt zunächst das Ergebnis der Auszählung der unveränderten Stimmzettel vor. Doch das ist nur bedingt aussagekräftig, denn nur etwa 40 Prozent der Wahlberechtigten haben bei der Gemeinderatswahl vor fünf Jahren alle 60 Stimmen einer Partei gegeben. Der größere Anteil hingegen hat zwischen den Wahlvorschlägen gewechselt. Die Auszählung dieser veränderten Stimmzettel dauert bis Dienstagnachmittag an. Dann erst steht fest, wie sich der neue Stuttgarter Gemeinderat zusammensetzen wird.
Absehbar ist: Die Wahlbeteiligung liegt deutlich höher als 2014. Zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale hatte bereits mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten in Stuttgart ihre Stimme abgegeben. Bei der letzten Wahl im Jahr 2014 lag die Wahlbeteiligung bei 46,6 Prozent.


Die Auszählung der Stimmzettel für die Europa- und Regionalwahl dauerten gestern Abend bei Redaktionsschluss noch an. Die Endergebnisse werden heute um 16 Uhr im Rathaus bekannt gegeben, die der Kommunalwahl am Mittwoch.