Rechtsextremisten verbreiten ihre Propaganda nicht nur über soziale Medien. Auch diverse Publikationen sind in der Szene beliebt. In Dresden wird nun Mitarbeitern eines Verlags der Prozess gemacht.
Volksverhetzung und NS-Propaganda als Geschäftsmodell: Zwei Männer und eine Frau müssen sich seit Donnerstag am Oberlandesgericht Dresden für ihre Mitarbeit im rechtsextremistischen Verlag „Der Schelm“ verantworten. Die Generalbundesanwaltschaft hatte Anklage wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung und Mitgliedschaft in einer solchen sowie Volksverhetzung erhoben. Die Beschuldigten sollen sich mit einem weiteren Mann - der als mutmaßlicher Rädelsführer gilt, aber nicht in diesem Verfahren angeklagt ist - zusammengeschlossen haben, um unter dem Dach des Verlages nationalsozialistische und antisemitische Ideologie durch den Verkauf entsprechender Bücher zu verbreiten.
Laut Anklage haben die Beschuldigten zwischen 2018 und 2020 mit dem Vertrieb der Publikationen einen Umsatz von mehr als 800 000 Euro erzielt. Bei einer Durchsuchung im Dezember 2020 hatten die Ermittlungsbehörden zudem weitere entsprechende Druckerzeugnisse mit einem Verkaufswert von über 900 000 Euro gefunden und sichergestellt.
Verlag wird als kriminelle Vereinigung eingestuft
In der Anklage listete die Generalbundesanwaltschaft am Donnerstag eine Fülle von Publikationen auf, die der Verlag im Angebot hatte. Das betraf unter anderem „Mein Kampf“ von Adolf Hitler, Schriften von Joseph Goebbels und Alfred Rosenberg, „Der Aufstieg der Juden“ von Ferdinand Fried, „Die jüdische Weltpest – Judendämmerung auf dem Erdball“ von Hermann Esser und das antisemitische Kinderbuch „Der Giftpilz“ von Ernst Hiemer. Der Verlag wird von den Ermittlungsbehörden als kriminelle Vereinigung eingestuft. Nach Angaben des Vorsitzenden Richters Hans Schlüter-Staats gab es im Vorfeld keine Gespräche über eine Verständigung. Alle drei Beschuldigten wollen im Prozess aussagen.
Den Anfang machte nach der Anklageverlesung ein 38-Jähriger, der sich nach eigenem Bekunden aus der rechtsextremen Szene gelöst hat und neben Volksverhetzung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt ist. Der ausgebildete Mediengestalter hatte in dem Verlag als Grafiker gearbeitet und laut eigener Aussage auch eine Reihe sonstiger Aufträge für den Rädelsführer erfüllt. Die Vorwürfe gab er weitgehend zu. Ausführlich schilderte er seinen politischen Werdegang und seine Abkehr von der Szene. Für seine Dienste soll das frühere NPD-Mitglied rund 30 000 Euro kassiert haben. Bei der gleichaltrigen Frau aus Brandenburg wurde eine Summe von knapp 18 000 Euro genannt, bei dem dritten Beschuldigten - einem 41-Jährigen aus Leipzig - waren es rund 76 000 Euro.
Beschuldigter ist früherer NPD-Stadtrat aus Leipzig
Man sei öfter an dem Punkt gewesen, dass es „zu heiß wird“ und es nicht mehr lange gut gehen werde, sagte der 38-Jährige. Dennoch sei er dann von seiner Verhaftung im Juni 2022 überrascht gewesen. „Mein innerer Antrieb war, auszusagen. Ich habe die Taten gemacht und ich wollte dazu stehen.“ Zugleich gab er zu Protokoll, die Datenbank des Rädelsführers gehackt und den Ermittlern eine Datenbank mit Informationen über den Vertrieb der Bücher gegeben zu haben. Er selbst habe das Gefühl gehabt, sein Leben brauche einen „Riesen-Reset“. Schließlich habe er sich bei einem Aussteiger-Programm gemeldet, zu dessen Inhalt auch der Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald gehörte. „Für mich selbst war das mit Scham behaftet“, beschrieb er seine Eindrücke aus Buchenwald.
Am Nachmittag äußerte sich der 41-Jährige Beschuldigte, ein früherer NPD-Stadtrat aus Leipzig. Er räumte lediglich ein, Pakete zu einem Paket-Shop gebracht zu haben. Er sei vor allem daran interessiert gewesen, das Lager des Verlagsgründers zu nutzen - für seinen eigenen Webshop, über den er vor allem Military-Kleidung vertrieben haben will. Der mutmaßliche Verlagsgründer, der die Beschuldigten wohl als eine Art Angestellte verstand, soll sich ins Ausland abgesetzt haben und wird in Russland vermutet. Der aus Bayern stammende Mann war 2002 vom Landgericht Dresden schon einmal wegen des Vertriebs rechtsextremistischer Druckerzeugnisse und Musik zu drei Jahren Haft verurteilt worden.
Das Gericht hat bis Mitte April weitere acht Verhandlungstage angesetzt.