Rainer Schmidt will die Wohnungsnot lindern. Foto: Iris Frey - Iris Frey

Der ehemalige Prokurist und Diakon Rainer Schmidt engagiert sich ehrenamtlich in Bad Cannstatt, Münster und Mühlhausen

Bad CannstattRainer Schmidt, Diakon und ehemaliger Prokurist aus Steinhaldenfeld, der seit elf Jahren im Ruhestand ist, engagiert sich seit März für ein Wohnungswechsel-Projekt, welches längerfristig geplant ist. Im Gespräch erklärt er, wie es dazu kam und was er sich vorstellt, zu verwirklichen und wozu er Ehrenamtliche sucht.

Was hat Sie bewogen, sich in Punkto Wohnungsnot zu engagieren?
Mit einem 1989 erworbenen Reihenhäuschen beim Stuttgarter Wohnbauprogramm „Preiswertes Familieneigentum“ bin ich privilegiert. Im März las ich einen Zeitungsbericht über eine fünfköpfige Familie, für die das Wohnungsamt keine Wohnung zuweisen konnte. Das hat mich alarmiert, sodass ich gründlich zu recherchieren begann. Aus Dankbarkeit darüber möchte ich einen kleinen Beitrag zur Linderung der Stuttgarter Wohnungsnot leisten.

Was ist Ihre Idee?
Ich höre von Menschen, die durch Lebensumstände heute in einer viel zu großen Wohnung leben und gerne eine kleinere im gleichen Stadtteil beziehen würden, wenn man ihnen dabei behilflich wäre. Diese Wohnungswechselwilligen möchte ich mit meinem Projekt unter dem Motto „Wohnungswechsel – aus groß mach passend“ erreichen und dafür ein Netzwerk mit vielen Beteiligten schaffen.

Wo wollen Sie die Anlaufstellen ansiedeln?
Dafür bedarf es zunächst die Bekanntgabe von Anlaufstellen für die Menschen, die wechseln wollen. Sinnvoll wäre es, wenn das die Bezirksämter übernehmen. Deswegen bin ich mit den Bezirksvorstehern im Gespräch.

Sie haben Ihre Arbeit mit Runden Tischen begonnen. Welche Vertreter waren da dabei?
Über die Cannstatter Zeitung konnte ich im März zu einem ersten Runden Tisch zu diesem Thema einladen. Wir waren zunächst fünf Gesprächsteilnehmer aus städtischen Ämtern und der Freien Wohlfahrtspflege und haben festgestellt, dass es sich lohnt, zu einem zweiten Runden Tisch Ende April einzuladen. Daran waren dann alle Eingeladenen beteiligt: Caritas, Evangelische Gesellschaft, Haus & Grund, das Liegenschafts- beziehungsweise Stadtplanungsamt, der Landeswohlfahrtsverband und das Sozialamt. Die Gesprächsteilnehmer unterstützten mein Projekt und empfahlen, zunächst diesseits des Neckars, also im Gebiet Bad Cannstatt, Mühlhausen und Münster, tätig zu werden. Die SWSG berichtete über ihr internes Projekt zum Wohnungswechsel, das seit eineinhalb Jahren läuft.

Was war das Ergebnis?
Seither hatte ich Gespräche mit den Bezirksvorstehern Frau Polinski und Herrn Bohlmann und habe sieben der im Bezirk tätigen Baugenossenschaften um ein Gespräch gebeten. Ein solches wird in Kürze mit der Baugenossenschaft Cannstatt stattfinden.

Wie soll die Wohnungswechsel-Börse arbeiten?
Die wechselwilligen Mieter können sich melden und ebenso gerne Wohnungseigentümer. Die Mieter melden sich in der koordinierenden Anlaufstelle. Die Ehrenamtlichen führen erste Gespräche mit den Wechselwilligen und bringen sie nach Möglichkeit zusammen. Ich denke an eine Begleitung vom ersten Gespräch bis zum Umzug durch die Ehrenamtlichen und Klärung der anstehenden Fragen von A bis Z.

Und wann wären Sie mit dem Projekt zufrieden?
Ich wäre zufrieden, wenn bis zum Jahresende zwei bis drei Wohnungswechsel in Gang gebracht werden könnten. Wird dieses Projekt bekannt, nimmt es hoffentlich weitere Fahrt auf.

Jetzt wollen Sie Netzwerke aufbauen, wie schwierig ist das?
Ich bin mir darüber bewusst, dass mir eine Sisyphusarbeit bevorsteht. Die Wohnungsnot wird bei Wohnungsbesitzern wenig gespürt. Die Mitarbeiter jedoch in den Ämtern und bei der Freien Wohlfahrtspflege verzweifeln fast an manchen Tagen, weil sie sich mit dem eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Stuttgart befassen müssen. An dieser Stelle gestatte ich mir einen Aufruf mit ethischem Appell an Haus- und Wohnungsbesitzer von nicht vermieteten Wohnungen: Machen Sie sich bitte bewusst, was es für Menschen bedeutet, keinen bezahlbaren Wohnraum zu finden. Nehmen Sie Kontakt auf zum Sozialamt, zum Wohnungsamt, zur AWO, Caritas oder Evangelischen Gesellschaft und bieten Sie eine (Ihre) freie Wohnung an. Dort wird eine Garantie für die Bezahlung der Miete über Jahre angeboten und Ihnen ein Ansprechpartner bei Gesprächsbedarf genannt. Die Garantie der Mietzahlungen wird gegeben für Familien, die einen Berechtigungsschein für eine Sozialwohnung vom Sozialamt haben.

Sie suchen ehrenamtliche Mitstreiter. Für welche Aufgaben?
Es geht für mich jetzt darum, viele Gespräche mit Vereinen und verschiedenen Initiativen zu führen und zu informieren. Für die hoffentlich zahlreichen Gespräche mit Wohnwechselwilligen bedarf es zwei, drei weiterer Ehrenamtlichen wie mich, die in Kooperation mit Bezirksämtern, Wohnungsinhabern und Baugenossenschaften die aufkommenden vielfältigen Fragen klären. Diese sollten nach meiner Einschätzung bereit sein, pro Woche drei bis fünf Stunden dafür aufzubringen und Durchhaltevermögen mitbringen. Gerne informiere ich auch über weitere Details, telefonisch unter der Nummer 50437656, 0151/70153228, und per E-Mail unter schmidt.rainer@icloud.com.

Die Fragen stellte Iris Frey.