In Stuttgart versammelten sich zahlreiche Streikende am Marktplatz. Foto: 7aktuell.de/Andreas Werner

Frauen sind auch in Stuttgart zentrales Thema beim Warnstreik der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Im Mittelpunkt des Protests stehen die Arbeitsverhältnisse der Frauen.

Hunderte lilafarbene Luftballons mit der Aufschrift „Feministisch streiken“ und fast genauso viele rot-weiße Verdifahnen – der randvoll gefüllte Marktplatz vor dem Stuttgarter Rathaus war am Mittwochnachmittag und frühen Abend fest in der Hand der Streikenden des öffentlichen Dienstes. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte angesichts des aktuelle Tarifkonflikts gemeinsam mit dem Frauenaktionsbündnis 8. März zur Streikkundgebung am Weltfrauentag in Stuttgart aufgerufen.

Im Mittelpunkt des Protests standen die Arbeitsverhältnisse der Frauen. Zu der Demonstration unter dem Motto „Feministisch streiken“ und dem anschließenden Protestmarsch durch die Stuttgarter Innenstadt hatte die Gewerkschaft bis zu 4000 Streikende der Pflege-, Sozial- und Erziehungsberufe sowie des gesamten öffentlichen Dienstes aus Stuttgart und aus den Landkreisen Ludwigsburg, Böblingen und Rems-Murr angekündigt.

Einmalzahlung reicht nicht

Zentrale Forderung der Streikenden sind angesichts der Inflation 10,5 Prozent mehr Gehalt oder mindestens 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten sowie 200 Euro mehr für Azubis. „Über Fachkräftemangel jammern, aber nicht mehr bezahlen wollen, geht nicht“, äußerten sich Verdi-Aktive der Stadtverwaltung im Rahmen der Kundgebung. Es habe Gründe, dass die Verwaltung derzeit kaum noch handlungsfähig sei. Immer wieder deutlich machten die Arbeitnehmer, dass sie sich mit einer Einmalzahlung nicht abspeisen lassen wollen.

Das nach zwei Tarifrunden von der Gewerkschaft abgelehnte Angebot der Arbeitgeber umfasst unter anderem eine Entgelterhöhung von insgesamt fünf Prozent in zwei Schritten und Einmalzahlungen in Höhe von insgesamt 2500 Euro. Die dritte Tarifrunde findet vom 27. bis zum 29. März in Potsdam statt.

Bedeutung der Berufe werden herausgestellt

Ariane Raad, Verdi-Gewerkschaftssekretärin und aktiv im Aktionsbündnis 8. März erklärte, dass die sogenannte Care-Arbeit, in der vor allem Frauen tätig sind, künftig auf alle Schultern verteilt werden müsse: „Wir treten für eine Gesellschaft ein, in der alle auch die Verantwortung für gesellschaftlich relevante Arbeiten übernehmen.“ Als Beispiel nennt Raad die Kindererziehung.

Verdi-Vertreter des Jugendamts Stuttgart betonten vor dem Rathaus, dass es keine systemrelevanteren Berufe gebe als die Sozial- und Erziehungsberufe. „Ohne die diese Arbeit wäre die Wirtschaft in der Pandemie zusammengebrochen.“

Kampf für gerechte Entlohnung

Die Verdi-Verhandlungsführerin und stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Christine Behle betonte vor dem voll besetzten Stuttgarter Marktplatz, dass Verdi nicht tatenlos zusehen werde, „wie zwei Jahre Inflation die mühsam über Jahre und Jahrzehnte erkämpften Verbesserungen bei der Bezahlung von Frauen entwerten“. Die Arbeitnehmerinnen aus den sozialen Berufen kämpften am Frauentag für eine gerechte und faire Entlohnung im öffentlichen Dienst. Verdi erklärte, dass sich am Mittwoch in ganz Baden-Württemberg rund 10 000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes an dem Warnstreik beteiligt hatten.

Behle unterstrich in ihrer Rede, dass die Frauen in den sozialen Berufen „nicht aus Nächstenliebe arbeiten, sondern weil sie ihre Miete bezahlen müssen“. Sie kritisierte, dass Männer noch immer besser bezahlt werden als Frauen.

An die Adresse der kommunalen Arbeitgeber gerichtet sagte sie, der hohe Investitionsbedarf der Städte und Gemeinden sei kein Argument gegen höhere Löhne. „Die Arbeitnehmer stehen nicht gerade für Jahrzehnte lange Versäumnisse in den Kommunen“, so Behle. Das aktuelle Verhandlungsangebot der Arbeitgeber lehne Verdi ab, weil es angesichts der Inflation „übersetzt heißt, dass es den Arbeitgebern völlig egal ist, ob die Arbeitnehmer einen Reallohnverlust haben“. Wie vor 100 Jahren gehe es heute wieder darum, mehr Gleichberechtigung und faire Bezahlung für Frauen durchzusetzen.