Ein Jahr nach dem folgenschweren Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 finden in Stuttgart zwei Pro-Israel-Kundgebungen und mehrere Palästinenser-Demos statt. Sie werden von einem großen Polizeiaufgebot begleitet.
Vor Stuttgart liegen Tage des Gedenkens, der Solidarität und des Protests: Für kommenden Montag, den Jahrestag des Massakers vom 7. Oktober 2023 mit mehr als 1200 Toten und ursprünglich mehr als 240 verschleppten Geiseln, hat die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) für 18 Uhr unter dem Motto „We stand with Israel“ zu einer Solidaritätskundgebung auf den Stuttgarter Marktplatz eingeladen. „Wir rufen zur Solidarität mit den Menschen in Israel und zur konkreten Solidarisierung mit der jüdischen Gemeinde in Württemberg auf“, heißt es in der Ankündigung der DIG Region Stuttgart. Man wolle damit auch ein starkes Zeichen gegen jeden Antisemitismus setzen – sowohl gegen den „Vernichtungsantisemitismus im Nahen Osten als auch gegen den Antisemitismus auf deutschen Straßen“.
Als Redner werden unter anderen erwartet: Schulbürgermeisterin Isabel Fezer, die auch Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit ist, Michael Kashi, Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW), Rabbiner Jehuda Puschkin, Alon Bindes von der Jüdischen Studierendenunion, der Antisemitismusbeauftragte des Landes, Michael Blume, DIG-Vize Susanne Wetterich, der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig und Domkapitular Heinz-Detlef Stäps.
„Empathie für israelische Belange hat abgenommen“
In ähnlicher Zusammensetzung hatte am 9. Oktober vergangenen Jahres unter dem unmittelbaren Eindruck des Überfalls eine Solidaritätskundgebung mit rund 500 Teilnehmern stattgefunden. Susanne Jakubowski, Vertreterin der jüdischen Gemeinde im Rat der Religionen und dessen Koordinatorin, hofft auf ähnlich viele Teilnehmer. Dem Jahrestag sieht sie mit schmerzlichen Verlustgefühlen entgegen. Besorgt stellt sie fest, „dass die Empathie für die israelischen Belange im vergangenen Jahr abgenommen hat“. Juden würden wieder vermehrt zu „Sündenböcken“ gemacht. Wichtig sei, sich mit dem israelischen Volk zu solidarisieren, denn es gehe um nichts weniger „als um die Existenz Israels“. Bei der Kundgebung sind starke Sicherheitsvorkehrungen geplant.
Ein Onlineforum mit „Stimmen aus Israel“
Tags zuvor, am Sonntag, 6. Oktober, lädt die DIG zu einer Onlineveranstaltung mit „Stimmen aus Israel“ ein, darunter Überlebenden und Betroffenen des Massakers vom 7. Oktober (Anmeldung unter: info@dig-stuttgart.net). Sprechen wird dort auch Ricarda Louk, Mutter der in Deutschland aufgewachsenen und auf dem Nova-Festival ermordeten 22-jährigen Shani Louk. Ebenso Chanan Cohen, dessen Schwager Gadi Moses noch von der Hamas festgehalten wird. Seit einem Jahr engagiert er sich für die Freilassung der Verschleppten. Der Veranstalter, die Deutsch-Israelische Gesellschaft, versteht sich als überparteilicher Verband, in dem sich Freunde Israels zusammenschließen, „um in Solidarität mit dem Staat Israel und seiner Bevölkerung zu wirken“.
Ebenfalls am Sonntag, 6. Oktober, veranstaltet der deutsche Zweig des Vereins Internationale Christliche Botschaft Jerusalem (ICEJ), eine Organisation, die dem Christlichen Zionismus zugerechnet wird, um 16 Uhr auf dem Marktplatz eine „Solidaritätskundgebung für Israel“.
Palästinenser demonstrieren
Rund um den Jahrestag rufen auch Palästinenser und andere zu Demos in Stuttgart auf. Sie werden von einem großen Polizeiaufgebot begleitet. Bereits am Samstag, 5. Oktober, findet ab 16.30 Uhr auf dem Marktplatz eine „Mahnwache für Palästina“ statt. Veranstalter ist die Gruppe Palästina spricht. Tags darauf plant derselbe Veranstalter unter dem Motto „Freiheit für Palästina“ eine Kundgebung, die um 15 Uhr auf dem Schlossplatz beginnt. Von dort wollen die Teilnehmer über die Königstraße und die Theodor-Heuss-Straße bis zum Rotebühlplatz und wieder zurück zum Schlossplatz ziehen, wo um 17 Uhr eine Abschlusskundgebung startet.
Demonstriert wird auch am Jahrestag selbst: Das Palästinakomitee Stuttgart protestiert am 7. Oktober um 17 Uhr auf dem Schlossplatz gegen den „Krieg in Gaza“ und fordert „Solidarität mit Palästina“. Auch hier ist ein Demonstrationszug durch die City geplant. Die Abschlusskundgebung beginnt um 18.45 Uhr vor dem Wilhelmsbau. Parallel dazu findet auf dem Kronprinzplatz um 18 Uhr eine Kundgebung eines privaten Veranstalters statt. Er will „für das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza sensibilisieren“ – seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen als Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas sind laut UN bis zu 40 000 Menschen im Gazastreifen ums Leben gekommen. Viele Bewohner sind auf der Flucht. Fliehen mussten auch viele Israelis als Folge des Raketenbeschusses durch die Hisbollah im Norden.
Von jüdischer Seite wird befürchtet, dass die Palästina-Kundgebungen einen „antiisraelischen Charakter“ haben. Die Hague Initiative for International Cooperation, eine „jüdische Denkfabrik“, richtete deswegen einen offenen Brief an Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper. Darin bittet die Initiative den OB, „sich öffentlich und klar zu äußern, dass der 7. Oktober als Tag des Gedenkens an die Opfer der Hamas-Terrorangriffe verstanden werden muss“.