Einprägsames Bild: Kindschuhe vor dem Schauspielhaus in Stuttgart. Sie erinnern an getötete Kinder in der Ukraine. Foto: Jan Sellner

„Kein Geschäft mit Russland!“ So hallt es am Sonntag durch die Stuttgarter City. Die ukrainische Community demonstriert eindrücklich gegen den Krieg in ihrer Heimat.

Das Bild prägt sich ein, macht eine Gänsehaut. Vor dem Schauspielhaus platzieren Demonstranten am Sonntagmittag Dutzende Kinderschuhe, um damit an die im Krieg getöteten Kinder in der Ukraine zu erinnern. Einer der Redner beziffert die Zahl auf 171: „Durchschnittlich stirbt dort alle sechs Stunden ein Kind im Krieg.“

Es ist der 46. Kriegstag seit dem russischen Überfall. Erneut hat der in Stuttgart aktive Verein Ukrainisches Atelier für Kultur und Sport zu einer Solidaritätskundgebung aufgerufen. An die 1000 Menschen sind ihm gefolgt, überwiegend aus der ukrainischen Community, die durch die steigende Zahl der Geflüchteten auch in Stuttgart erheblich angewachsen ist. Rund 3500 Ukrainerinnen und Ukrainer haben in der Landeshauptstadt Schutz vor dem Krieg gefunden, überwiegend Frauen und Kinder. Sie prägen auch das Bild der Demonstration am Sonntag, die nach zwei Stunden mit der leidenschaftlich gesungenen ukrainischen Nationalhymne endet, während Besucher ins benachbarte Opernhaus zur „Walküre“-Premiere strömen.

Die Geschichte der jungen Mutter Yana Pudak

Auftakt der Solidaritätsdemonstration ist am Wilhelmsplatz. Dort steht auch Yana Pudak, eine Ukrainerin, die für ihr Land auf die Straße geht. „Hätte ich die Kinder nicht, für die ich Verantwortung trage, wäre ich in der Ukraine geblieben und würde dort helfen!“, sagt sie. Eine Frau übersetzt ihre Worte aus dem Ukrainischen. Die junge Mutter zeigt auf ihre „trotz des jungen Alters so starken und mutigen“ beiden Kinder. Eine Rednerin kritisiert, dass deutsche und französische Firmen immer noch Handel mit Russland treiben. „Kein Geschäft mit Russland!“, skandiert die Menge immer wieder. Auf Transparenten und Plakaten wird ein Gas- und Öl-Embargo gefordert. Erneut ertönt auch der Ruf nach einer Flugverbotszone. „Close the sky Nato!“ lautet die Forderung. Auf einem gelben Schirm steht in blauen Lettern „Raketenabwehr“. Eine Tafel erinnert an das Schicksal von Mariupol.

Aus dieser hart umkämpften und schwer verwüsteten Küstenstadt am Asowschen Meer ist Yana Pudak mit ihren Kindern vor zehn Tagen geflohen. „Mariupol wird alle paar Minuten bombardiert“, berichtet sie. Tagelang harrten die Menschen in Kellern aus. Wer hinausgehe, um das Lebensnotwendigste zu holen, begebe sich in höchste Gefahr. Ihre Schilderungen sind dramatisch: „170 000 Menschen ohne Strom, Wärme und Wasser. Kinder sitzen neben ihren toten Eltern, Menschen mit Behinderungen sind allein ohne Hilfe.“ Freunde, mit denen sie Kontakt halte, wollten dennoch lieber ihr Leben lassen, als ihre Stadt aufzugeben und dem Feind zu überlassen. „Das sind keine Fake-News, keine falschen Nachrichten. Diese Geschichten tragen sich Tag für Tag zu. Wir brauchen Ihre Hilfe, sagt es euren Regierungen“, sagt sie. „Wir danken Deutschland dafür, was es tut.“

Demonstranten sammeln Spenden

Eine junge Frau verweist auf ein laminiertes Papier mit Quellcode, das sie vor sich herträgt, wie andere auch. Da ist zu erfahren, was das Referat für Kommunikation und Cybersicherheit des Ukrainischen Verteidigungsministeriums benötigt: ein Drohnenabwehrsystem sowie einen „Repeater“ samt Akkus, der Reichweiten von Funksystemen verstärkt. „Mein Freund ist bei dieser Einheit. Sie brauchen zwei davon, einer kostet etwa 3500 Euro, wir sammeln Spenden“, sagt sie, bevor sich die Demonstranten in Bewegung setzen. Über Eberhard-, Tor- und Holzstraße ziehen sie unüberseh- und unüberhörbar in den Schlossgarten zum Schauspielhaus, wo sie die Kinderschuhe platzieren.