„Kommt Deutschland besser oder schlechter durch die Omikronwelle?“ wollte Markus Lanz am Mittwochabend wissen. Foto: ZDF und Markus Hertrich/Markus Hertrich

Karl Lauterbach rechnet damit, dass die Omikronwelle Mitte Februar ihren Scheitelpunkt erreicht. Der Gesundheitsminister kündigt bei Markus Lanz an, zum Wochenende neue Regeln für PCR-Tests an. „Wir bekommen so hohe Fallzahlen, dass wir priorisieren müssen“, sagte er.

Stuttgart - Karl Lauterbach braucht keine Stammkneipe, er hat ja Markus Lanz. Der Gesundheitsminister mit dem SPD-Parteibuch ist am Mittwochabend mal wieder bei dem ZDF-Talker zu Gast gewesen, zusammen mit der sächsischen Innenministerin Petra Köpping (SPD), der Journalistin Franziska Klemenz von der „Sächsischen Zeitung“ und dem Extremismusforscher Matthias Quent, um über die Rekord-Infektionszahlen, die geplante Einführung der Impfpflicht und die Spaltung der Gesellschaft zu sprechen.

Eine bundesweite Sieben-Tagesinzidenz von 584, erstmals mehr als 100 000 Coronafälle an einem einzigen Tag – „kommt Deutschland besser oder schlechter durch die Omikronwelle als erwartet?“, wollte Markus Lanz von dem Gesundheitspolitiker wissen. „Wir sind erst auf dem Weg“, erklärte der. Unter Berufung auf eine Modellierung des Robert-Koch-Instituts rechnet Karl Lauterbach damit, dass Mitte Februar erst der Scheitelpunkt dieser Welle erreicht sein werde, mit dann mehreren Hunderttausend Infektionen pro Tag. Dafür müsse man sich wappnen.

Noch immer sind drei Millionen der über 65-Jährigen ungeimpft

So will er die PCR-Testungen reglementieren lassen, eine entsprechende Verordnung ist in Arbeit, soll am Wochenende vorgelegt und am Montag von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen werden. „Wir bekommen so hohe Fallzahlen, dass wir priorisieren müssen, wer einen PCR-Test bekommt“, und das müssten eben die sein, „wo wir sicherstellen müssen, ob sie krank sind oder genesen“, also besonders für Mitarbeiter in den so genannten systemrelevanten Berufen, wie Markus Lanz daraus folgerte.

Anders als etwa Großbritannien könne Deutschland diese hohen Fallzahlen nicht verkraften. Auf der Insel seien 90 Prozent aller über 50-Jährigen bereits geboostert, deshalb seien dort Lockerungen möglich. In Deutschland sei man davon weit entfernt, dort seien immer noch drei Millionen der über 65-Jährigen vollkommen ungeimpft. Lauterbach rechnet deshalb damit, dass „wir in kurzer Zeit eine Überlastung der Intensivkapazitäten erreichen werden“.

„Wenn wir unser Leben zurückhaben wollen, muss Impfpflicht kommen“

Der Gesundheitsminister ist deshalb „ein klarer Befürworter der Impfpflicht“. Die könne jetzt zwar die Omikronwelle nicht mehr brechen helfen. Aber „wenn wir das Thema im Herbst erledigt haben wollen“, müsse eine allgemeine Impfpflicht rasch kommen. „Jetzt müssen die, die wir bisher geschützt haben, ihren Beitrag leisten“, sagte Lauterbach. Das seien die Ungeimpften, die sich jetzt impfen lassen müssten. „Wenn wir unser normales Leben zurückwollen, muss die Impfpflicht bald kommen, sodass sie im Sommer wirken kann.“

Warum lege die Koalition dann keinen eigenen Gesetzesentwurf dazu vor, sondern überlasse diese Arbeit dem Parlament, wollte Lanz wissen. „Wir wollen das Thema aus der Parteipolitik herauslösen, das stärkt die Anträge, wenn sie aus der Mitte des Parlaments kommen“, so Lauterbach.

Nach dem Aufmarsch erfuhr Köpping viel Solidarität

Damit war die halbe Sendezeit vorbei. Dann kam Petra Köpping an die Reihe, die Frau, die am 3. Dezember bundesweit bekannt wurde, weil vor ihrem Haus in dem sächsischen Grimma an jenem Abend eine Gruppe aus 30 Coronaleugnern mit Fackeln in den Händen aufmarschierte. Sie sei gerade erst nach Hause gekommen und alleine daheim gewesen, erzählte die Innenministerin, als Nachbarn sie anriefen und warnten vor der Gruppe, die auf dem Weg zu ihr sei. Köpping, die Lanz bei seiner Vorstellung als „Frau des Ausgleichs“ beschrieben hatte, alarmierte die Polizei.

Dass sie das habe erleben müssen, habe sie nach 30 Jahren in der Politik als Bürgermeisterin, Landrätin, Ministerin schon enttäuscht, sagte sie. Bange machen lässt sie sich nicht. „Was ich danach erlebt habe, das hat mich geprägt“, sagte sie: In den Tagen danach habe sie überwältigenden Zuspruch erfahren. Als Ministerin sei sie überdies gut geschützt, was ihr Kummer mache, seien die Krankenschwestern, Ärzte, Bürgermeister, die ebenfalls attackiert würden mittlerweile – und die sich eben nicht so gut schützen könnten.

„Es geht nur noch ums Dagegensein“

Franziska Klemenz, die für die „Sächsische Zeitung“ die Montagsspaziergänge in Dresden begleitet, sagte, „es wird nicht mehr argumentiert“, es gehe nur noch „um das Dagegensein“. Das sei bei den rechtsextremen Pegida-Märschen noch anders gewesen. Die Reporterin hat noch einen Unterschied ausgemacht zu den Märschen der Coronakritiker und den Pegida-Leuten vor einigen Jahren. Mittlerweile seien nicht mehr nur „die da oben“, die Politiker, und die Medien Teil des Feindbildes. Auch die Polizei werde als Bestandteil des verhassten Mainstream wahrgenommen, offen attackiert. Die Demonstranten spielten mit der Polizei Katz und Maus.

„Es braucht einen Aufstand der Anständigen“, erklärte Matthias Quent, der Direktor des Instituts für Zivilgesellschaft in Jena. Er warnte davor zu glauben, die Gesellschaft sei wegen Corona gespalten. „Es sind Spaltungen viral geworden, die vorher schon da waren“, sagte er. In Deutschland fehle ein Diskurs über soziale Ungleichheit und über strukturellen Rassismus. „Milieus, die lange vor Corona aktiv waren, haben Narrative gesponnen“ und beispielsweise über eine Impfpflicht geredet, lange bevor die ein Thema gewesen wäre. Und „die Politik ist in die Falle getappt und hat gesagt, nein, nein, das wollen wir nicht.“