Corona: zweite Welle oder Verschwörung? „Aluhutträger“ glauben an Letzteres. Foto: dpa/Christoph Soeder

Derzeit ist wieder viel von steigenden Corona-Zahlen die Rede – die einen warnen davor, die anderen glauben nicht daran. Über welche Daten wird da überhaupt diskutiert?

Berlin/Stuttgart - Die „Querdenken“-Demonstranten, die am Samstag in Berlin gegen die Anti-Corona-Maßnahmen auf die Straße gegangen sind, zweifeln nicht nur die von der Polizei verbreitete Zahl von 17 000 Teilnehmern an – sondern auch die Darstellung des Infektionsgeschehens an sich. Ihre Frage in rhetorisch abgemilderter Form: Wie viele Menschen stecken sich derzeit überhaupt an? Und woran erkennt man, dass es mehr sind als noch vor einem Monat?

Die folgende Antwort auf diese Fragen setzt voraus, dass man den Laborergebnissen sowie der amtlichen Statistik Glauben schenkt. Es ist bezeichnend, dass diese Annahme explizit ausgesprochen werden muss. Andererseits bleibt einem nur, der Gesundheitsverwaltung zu vertrauen. Niemand kann jeden einzelnen gemeldeten Fall überprüfen. Wer es so sehen will, glaubt hingegen an manipulierte Proben und Zahlen. Dass es dafür keine Beweise gibt, ist dann vermutlich eingepreist.

Die Corona-Zahlen für Deutschland werden täglich vom Robert-Koch-Institut auf dessen Website veröffentlicht, dazu gibt es Länderdaten – das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg zum Beispiel veröffentlicht von Montag bis Freitag die aktuellen Werte bis auf Kreisebene.

Tägliche und gemittelte Werte

Wenn zuletzt von wieder steigenden Fallzahlen die Rede ist, handelt es sich stets um Neuinfektionen. Darunter versteht man die Zahl jener Infektionen, die an einem Tag oder in einer Woche gemeldet wurden.

Die täglich gemeldeten Infektionen schwanken relativ stark, weil beispielsweise das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg am Wochenende keine neuen Daten veröffentlicht. Wichtiger sind daher die gemittelten Werte: Für die zurückliegende Woche wird errechnet, wie viele Infektionen im Schnitt pro Tag gemeldet wurden. Diese Zahl fiel nach dem Höchstwert Anfang April kontinuierlich, steigt seit Mitte Juli aber wieder an. Anders als bei einem Ausreißer im Juni ist dafür nicht ein einzelner großer Ausbruch – wie damals in der Fleischfabrik Tönnies – verantwortlich, sondern viele kleine Ausbrüche. Die steigende Zahl von registrierten Neuinfektionen ist auch nicht allein auf die Zahl der Corona-Tests zurückzuführen. Sie nimmt kontinuierlich zu, doch ebenso stieg der Anteil erkannter Infektionen zuletzt von 0,6 auf 0,8 Prozent.

Mit diesen Zahlen warnen das Robert-Koch-Institut und zahlreiche Politiker vor einer Situation wie im Frühjahr, als die Pandemie nur mit einem „Lockdown“ zu bändigen war: „Wir befinden uns schon in einer zweiten, flachen Anstiegswelle“, sagte die Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger, Bund Susanne Johna jüngst der „Augsburger Allgemeinen“.

Zwar stecken sich derzeit wieder mehr Menschen mit dem Coronavirus an, ihre Zahl liegt deutschlandweit mit knapp über 700 jedoch weit unter den Höchstwerten von Anfang April mit teils mehr als 5000 Infizierten täglich. Zugleich steigt aber auch die Zahl der aktuell Infizierten – also jener Menschen, die nicht an Covid-19 verstorben sind oder davon genesen sind. Hinzu kommen Unwägbarkeiten wie die zunehmende Zahl von Reiserückkehrern, die sich im Ausland angesteckt haben. Jeder fünfte hierzulande registrierte Infizierte hat sich aktuell außerhalb Deutschlands angesteckt.

Jeder, der das Coronavirus in sich trägt, kann weitere Menschen anstecken und die „zweite Welle“ anschwellen lassen. Sofern man akzeptiert, dass das Coronavirus ansteckend ist, sollte das Risiko wieder steigender Neuinfizierter deutlich erkennbar sein – und auch der Nutzen von Gegenmaßnahmen. Ob die „Querdenker“ zumindest dies anerkennen?