Welket Bungue als Francis in einer Szene des Films „Berlin Alexanderplatz“, der den Roman in die Flüchtlingsgegenwart verlegt Foto: dpa/Wolfgang Ennenbach

Die Berlinale bleibt auch unter der neuen Leitung ein politisches Festival mit einem gigantischen Programm – in den Details allerdings ändert sich manches.

Stuttgart - Zwei deutsche Produktionen über die Hauptstadt gehen bei der diesjährigen Berlinale ins Rennen um den Goldenen und die Silbernen Bären: Die in die Flüchtlingsgegenwart verlegte Neuverfilmung des Romans „Berlin Alexanderplatz“ von Burhan Qurbani und die Liebesgeschichte „Undine“ von Christian Petzold. Qurbani war schon 2010 im Berlinale-Wettbewerb vertreten mit „Shahada“, seinem Diplomfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg. An „Berlin Alexanderplatz“ ist noch ein weiterer Absolvent beteiligt: der in Ludwigsburg ansässige Filmproduzent Jochen Laube. Der Berlinale-Veteran Petzold erzählt in „Undine“, aufgeladen mit dem Sagenstoff über die gleichnamige Nixe, von einer Berliner Historikerin (Paula Beer) in Liebesnöten.

Am Mittwoch hat das neue Leitungsduo Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek die 18 Wettbewerbsfilme bekanntgegeben, die vom 20. Februar bis 1. März am Potsdamer Platz zu sehen sein werden. Anders als sein Vorgänger Dieter Kosslick verzichtet der künstlerische Leiter Chatrian auf ein Motto, thematisch aber bleibt die Berlinale sich treu: Alle Filme offenbarten „einen Blick auf die dunkle Seite des Menschen“, weil sie eher illusionslos auf die Gegenwart schauten und dem Publikum die Augen öffnen wollten, sagte Chatrian.

Nina Hoss spielt mit Lars Eidinger

Die Britin Sally Potter zeigt „The Roads Not Taken“ mit Javier Bardem und Salma Hayek. Der Franzose Benoit Delépine ist mit „Effacer l’historique“ vertreten, die Schweizer Stéphanie Chuat und Véronique Reymond präsentieren „Schwesterlein“ mit Nina Hoss und Lars Eidinger. Erstmals dabei ist der Iraner Mohammad Rasoulof mit „There Is No Evil“. „Wir hoffen, dass seine Regierung ihm erlauben wird, nach Berlin zu kommen“, sagte Chatrian. „Irradiés“ von Rithy Panh aus Kambodscha ist der einzige Dokumentarfilm im Wettbewerb.

Eröffnet wird die Berlinale mit „My Salinger Year“ von Philippe Falardeau über eine junge Autorin im New York der 1990er, die als Assistentin einer Literaturagentin (Sigourney Weaver) die Fanpost des Kultautors J. D. Salinger beantwortet. Der Film ist nicht im Wettbewerb, aber auch nicht „außer Konkurrenz“ – diese Kategorie hat die Festivalleitung abgeschafft und dafür „Berlinale Special Gala“ eingeführt. Dort laufen auch die Doku-Serie „Hillary“ über die US-Politikerin Hillary Clinton, „Minamata“ mit Johnny als der US-Fotograf W. Eugene Smith und das Drama „Persian Lessons“: Ein jüdischer KZ-Insasse entgeht darin dem Tod, indem er sich als Perser ausgibt – worauf er Farsi unterrichten muss, ohne die Sprache zu beherrschen.

Helen Mirren bekommt den Ehrenbär

Der neue, zweite Wettbewerb Encounters soll laut Chatrian unkonventionelle Blickwinkel zeigen. Zu sehen sein wird unter anderen „Orphea“ von Alexander Kluge und Khavn – angelehnt an die die griechische Sage von Eurydike und Orpheus bekommt eine Frau (Lilith Stangenberg) in der Gegenwart die, ihren verstorbenen Geliebten aus der Hölle zu holen. In der Reihe Panorama laufen das amerikanische #MeToo-Drama „The Assistant“ von Kitty Green und ein Porträtfilm über den verstorbenen Künstler Christoph Schlingensief. Berlinale Series präsentiert acht Premieren, darunter die von der Oscar-Preisträgerin Cate Blanchett produzierte Serie „Stateless“ über vier Einwandererschicksale in Australien.

Den Goldenen Ehrenbären bekommt die britische Schauspielerin Helen Mirren („The Queen“). Der US-Regisseur, Produzent und Drehbuchautor King Vidor (1894–1982) steht im Zentrum der Retrospektive. Den Vorsitz der Internationalen Jury hat der britische Schauspieler Jeremy Irons. Die Bären werden am 29. Februar im Berlinale Palast vergeben. Der Ticketvorverkauf startet am 17. Februar.