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Daniel Didavi ist kein Lautsprecher – aber ein Spieler mit Verstand. Er sieht sehr viel Positives beim VfB, aber auch Kritikwürdiges. Das äußert er, leise aber bestimmt.

StuttgartEin Lautsprecher ist Daniel Didavi nicht, aber ein Leisetreter innerhalb des VfB Stuttgart auch nicht. Vor der Partie des Fußball-Zweitligisten an diesem Freitag (18.30 Uhr) bei Arminia Bielefeld gewährt der Vizekapitän des Tabellenführers erstmals in dieser Saison Einblicke in seine Gedanken. Der 29-jährige Mittelfeldspieler spricht über:

das Spitzenspiel in Bielefeld: Freitagabend, Flutlicht, Bielefelder Alm – da wird es sicher heiß zur Sache gehen. Wir dürfen uns jedoch nicht täuschen lassen, denn die Arminia ist fußballerisch gut. Die Bielefelder sind bemüht, von hinten heraus zu spielen und nach vorne zu kombinieren. Das machen nicht viele Mannschaften in der zweiten Bundesliga. Von daher wird es sicher ein interessanter Vergleich. Dort zu gewinnen, wäre für uns ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel – der Rückkehr in die Bundesliga.

die Härte in der zweiten Bundesliga: Die zweite Bundesliga ist spielerisch nicht so schlecht, wie sie oft von außen gemacht wird. Ich kenne einige Spieler, und sie sind in der Regel gut ausgebildet. Zudem ist das kämpferische Niveau hoch, weshalb die Begegnungen für uns oft Pokalcharakter haben. Wir sind ständig in der Favoritenrolle. Dennoch war es keine extreme Umstellung für mich, in der zweiten Bundesliga Fuß zu fassen. Denn es bleibt Fußball, und es ist bisher nichts dabei, was ich nicht schon erlebt hätte. Ich habe jedenfalls kein Problem mit der Härte in der zweiten Bundesliga. Viele Teams spielen körperbetont, aber das muss nicht unfair sein. Ich spüre überhaupt keine Angst, in die Zweikämpfe zu gehen – und ehrlich gesagt: Auch in der Bundesliga wirst du ab und zu mal umgehauen.

den Umgang mit der Härte: Es ist klar, dass die Gegner oft ein Mittel suchen, um gegen unsere spielerische Qualität anzukommen. Wir müssen körperlich dagegenhalten, es bringt jedoch nichts, sich auf einen offenen Schlagabtausch einzulassen. Das ist nicht unsere Art – und auch nicht unsere Stärke. Wenn wir nur rustikal auftreten würden, dann wäre das schon ein Teilerfolg für die Gegner, weil wir uns nicht mehr auf unsere Stärken besinnen würden.

den Stuttgarter Spielstil: Wir wollen viel den Ball haben, kontrolliert und dominant spielen. Unser Trainer Tim Walter hat dabei eine klare Vorstellung, wie wir das umsetzen sollen. In seinem System gibt es aber durchaus Freiheiten. Das kommt mir als Offensivspieler sehr zugute. So wurde von den Gegnern zuletzt fast ständig Manndeckung gegen mich praktiziert, da konnte ich auf die Flügel ausweichen oder mich nach hinten fallen lassen. Manchmal sieht es vielleicht wild aus, wenn ich links hinten verteidige, aber wir wollen nicht statisch spielen. Diese ständigen Rochaden machen es einem tief stehenden Gegner schwer, uns in den Griff zu bekommen.

die Risiken der VfB-Taktik: Wir spielen sehr offensiv – da kann es schon passieren, dass der Gegner mal zu Chancen kommt. Das ist aber kein Problem. Wir müssen unsere Überlegenheit einfach noch konsequenter ausspielen und dürfen gleichzeitig in der Defensivarbeit nicht nachlässig werden. Das Ganze macht aber nicht nur uns Spielern mehr Spaß, sondern ebenso den Anhängern. Es ist immer etwas geboten, wenn sie ins Stadion kommen. Unser Fußball ist aufregend und unterhaltend. Das wollen wir auch. Jetzt müssen wir schauen, dass er attraktiv bleibt, aber nicht mehr so sehr die Herzfrequenz der Fans nach oben treibt.

sein eigenes Spiel: Ich habe jetzt wieder viel mehr Ballaktionen, weil wir ganz anders auftreten. Man sieht in jeder Partie, dass es viel Arbeit ist und wir einen hohen Aufwand betreiben. Das ist zum Beispiel an unserer Gesamtlaufleistung abzulesen. Auch an meinen Daten sieht man das. Das liegt daran, dass ich mich körperlich gut und fit fühle. Im Vergleich zur Vorsaison kann ich 90 Minuten durchspielen. Das war vorher nicht der Fall, weil ich lange eine Verletzung mitgeschleppt habe. Nun komme ich wieder in meinen Rhythmus. Mit meinen bisherigen Leistungen bin ich jedoch noch nicht ganz zufrieden, weil gelegentlich die Präzision in den letzten Aktionen fehlt.

ein Ärgernis: Mit unserer Entwicklung bin ich zufrieden. Schließlich haben wir 17 von 21 möglichen Punkten geholt – das ist schon sehr gut. Zumal die ganze Spielweise neu für uns ist. Mich ärgert jedoch, dass wir als Mannschaft manchmal wie ein gutes Pferd nur so hoch springen, wie wir müssen. Wir gehen häufig in Führung, legen aber nicht nach und wiegen uns in falscher Sicherheit. Wir drehen dann erst wieder auf, wenn wir den Ausgleich kassieren oder plötzlich merken, dass es noch einmal ganz eng wird. Wir müssen lernen, als Mannschaft nach der Führung weiterzumachen – und auf das 2:0 und 3:0 zu gehen.

den alten Frust: Die vergangene Saison war sehr schwer für den Verein – und auch für mich. Ich hatte aus verschiedenen Gründen meine Spielfreude verloren. Der Frustfaktor war im Abstiegskampf dann natürlich hoch. Zum ersten Mal in meiner Karriere war ich dabei nicht mehr grundsätzlich positiv gestimmt. Das kannte ich gar nicht. Dennoch habe ich es zu keinem Zeitpunkt bereut, zum VfB Stuttgart zurück zu kommen. Ich habe mich persönlich wohlgefühlt und für mich war es nach dem Abstieg kein Thema, den Verein zu verlassen.

die neue Lust: Ich bin Tim Walter dankbar, dass er mir die Spielfreude zurückgegeben hat. Nicht nur, weil er mich aufstellt, sondern vielmehr dadurch, dass er in der Vorbereitung direkt auf mich zugekommen ist und sofort betont hat, dass ich ein Straßenkicker sei und das ausleben soll. Diese unbeschwerte Art des Fußballs war mir zuvor durch die häufig wechselnden Trainer und Vorgaben sowie den ständigen Druck im Abstiegskampf verloren gegangen.

sein Verhältnis zum Trainer: Das Verhältnis zu Tim Walter ist gut, weil ich seine Art mag. Er ist direkt und immer ehrlich – so bin ich auch. Dabei geht es gar nicht darum, dass der Trainer ständig wiederholt, wie toll ich bin. Vielmehr geht es mir um einen respektvollen Umgang miteinander. Dabei ist es natürlich ein schönes Signal des Trainers, dass er mich zum Vizekapitän gemacht hat. Das ist eine große Wertschätzung und für mich emotional etwas Besonderes, weil der VfB mein Heimatverein ist. Für mein Ego brauche ich die Binde jedoch nicht. Ich bin sicher kein Lautsprecher im Team, vertrete aber klar meine Meinung. Auch dem Trainer gegenüber. Das ist kein Problem zwischen uns. Er ist überhaupt nicht nachtragend.

seine Bindung zum VfB: Mein Vertrag beim VfB läuft noch bis 2021 – und diesen will ich auf jeden Fall erfüllen. Ich fühle mich mitverantwortlich für den Abstieg und will meinen Teil dazu beitragen, dass wir wieder nach oben kommen. Insgesamt ist meine persönliche Situation diesmal komplett anders gewesen als 2016. Damals lief mein Vertrag in Stuttgart aus – und für mich stellte sich die Frage, ob ich sportlich etwas Neues machen will. Meine Entscheidung den Verein zu verlassen, fiel damals, als wir mit dem VfB noch im Mittelfeld der Tabelle standen. Am Ende stand jedoch der Abstieg. Das war sehr bitter.

seine Zukunft: Ich kann mir vorstellen, meine Profikarriere beim VfB zu beenden. Ich kenne das Geschäft allerdings sehr genau: Alles kann sich schnell ändern und hängt davon ab, wie gut ich spiele. Vielleicht ist es in eineinhalb Jahren ja so, dass der VfB gar nicht mit mir weitermachen will. Einen Wechsel innerhalb von Deutschland strebe ich eher nicht mehr an. Ein Engagement im Ausland könnte mich eventuell noch reizen.