Die Corona-Krise setzt auch Daimler zu. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Für Auto-Analyst Gerhard Wolf von der LBBW ist der massive Gewinneinbruch bei Daimler im ersten Quartal keine Überraschung. Er befürchtet sogar, dass das zweite Quartal noch schlimmer ausfallen könnte.

Stuttgart - Eigentlich wollte Daimler die Quartalszahlen erst nächste Woche veröffentlichen, doch nun gab der Autobauer in einer Pflichtmitteilung schon eine Woche früher vorläufige Zahlen bekannt. Die Corona-Krise hinterlässt deutliche Spuren und macht Vorhersagen nahezu unmöglich. „Die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die Kundennachfrage, Lieferketten und die Fahrzeugproduktion könne nicht mit dem üblichen Detaillierungsgrad und der üblichen Sicherheit eingeschätzt werden“, teilte Daimler mit. Absatz, Umsatz und Ergebnis dürften aber am Ende unter dem Niveaus des Vorjahres liegen.

In den ersten drei Monaten 2020 ist das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 78 Prozent auf 617 Millionen Euro eingebrochen. Sieht man von Sondereffekten wie Kosten für die Dieselaffäre oder Umstrukturierungen ab, sind es im operativen Geschäft 719 Millionen Euro, im Vorjahresquartal waren es noch 2,3 Milliarden Euro. Eine Hiobsbotschaft, die Analysten erwartet hatten. „Das Ergebnis war keine Überraschung und bewegte sich im Rahmen der Markterwartungen, die schon vorher gedämpft waren“, sagt Gerhard Wolf, Auto-Analyst der Stuttgarter LBBW. Einzig die Risikovorsorge von rund 400 Millionen Euro im Bereich Daimler Mobility sei nicht eingepreist gewesen – dabei geht es um das Thema Absatzfinanzierung über die Daimler-Bank. Wohl deshalb gaben sich Börsianer auch gefasst. Die Daimler-Aktie, die auf Grund der Corona-Krise deutlich an Wert eingebüßt hat und unter 30 Euro gerutscht ist, legte am Donnerstag nach Börsenstart sogar erst einmal zu. Ähnlich sieht es auch Frank Schwope von der NordLB: Die Coronavirus-Krise sei von den wirtschaftlichen Auswirkungen her „deutlich gravierender“ als die Anschläge vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise. „Nach den katastrophalen Jahreszahlen für das Geschäftsjahr 2019 stand Daimler bereits stark unter Druck“, sagt Schwope.

„Wie schnell und wie stark kommt die Erholung?“

Deutliche Rückgänge musste Daimler im ersten Quartal bei den Verkaufzahlen hinnehmen. Von der Kernmarke Mercedes-Benz wurden von Januar bis März mit 477 400 Fahrzeugen weltweit fast 15 Prozent weniger verkauft als im Vorjahresquartal, im Lkw-Geschäft war es minus 20 Prozent. Am stärksten waren die Einbrüche in China, einem für Daimler wichtigen Markt. „Wir sehen jetzt einen tiefen Einbruch“, sagt LBBW-Experte Wolf und befürchtet, „dass das zweite Quartal noch schlechter ausfallen wird“. Der Markteinbruch in Europa und den USA werde sich in der Bilanz erst im April und Mai auswirken. Im Moment herrsche eine extreme Unsicherheit. „Die große Frage ist, wie schnell und wie stark kommt eine Erholung?“, sagt er und macht davon auch eine mögliche Verschärfung der Sparmaßnahmen bei Daimler abhängig. „Wenn diese Erholung nur sehr langsam ausfällt, befürchte ich schon, dass eine weitere Sparrunde kommen wird,“ so Wolf. In China laufe es derzeit besser als man erwartet habe. Für Europa ist der LBBW-Experte aber skeptisch.

Allerdings sieht er den Stuttgarter Konzern gut gerüstet. Daimler und andere Hersteller hätten aus der Krise 2008 gelernt und seien im Vergleich dazu deutlich besser mit liquiden Mitteln ausgestattet – bei Daimler summieren sie sich samt marktfähiger Wertpapiere auf rund 27 Milliarden Euro. „Damit kann man diesen Produktionsstillstand im April und die stark rückläufige Nachfrage schon eine Weile aushalten“, so Wolf.

Auch der Mittelabfluss von 1,9 Milliarden Euro im ersten Quartal, ist für Wolf nicht extrem besorgniserregend. Das sei genauso viel wie im Vorjahresquartal und nicht so schlimm wie man befürchtet hätte. Das erste Quartal sei immer das „cash-intensivste“, weil die Unternehmen aus der Weihnachtspause kämen und vorproduzierten, was sie im März und April verkaufen. Auch der Konzern selbst sieht sich finanziell gut aufgestellt: „Angesichts des Umstands, dass wir umfassende Maßnahmen zum Schutz unseres Barmittelbestands getroffen und unsere finanzielle Flexibilität erhöht haben, sind wir zuversichtlich, für die Zeit während und nach der Krise gut positioniert zu sein.“ Daimler hatte zur Sicherheit erst kürzlich mit mehreren Banken eine Vereinbarung über eine neue Kreditlinie von zwölf Milliarden Euro geschlossen.

Unternehmen kooperieren stärker

Dass es zu einer großen Konsolidierungswelle in der Branche kommt, die mitten im Strukturwandel steckt und enorme Forschungsaufwendungen hat, sieht Wolf derzeit nicht. „Ich nehme wahr, dass die Unternehmen stärker kooperieren und an Forschungsthemen arbeiten – wie etwa Daimler und BMW beim autonomen Fahren oder Daimler und Volvo jetzt beim Thema Brennstoffzelle.