Auf dem Bildschirm eines Laptops leuchtet ein Binärcode. Innenminister Thomas Strobl (CDU) will mit einer neu zu schaffenden Cybersicherheitsagentur Hackern zu Leibe rücken. Foto: dpa/Oliver Berg

Der Plan von Digitalisierungs- und Innenminister Thomas Strobl (CDU), Internetkriminalität in Baden-Württemberg mit Hilfe einer neu zu schaffenden, 12 Millionen Euro teuren, Cybersicherheitsagentur zu bekämpfen, fordert starke Kritik heraus – vor allem der Polizeigewerkschaften.

Stuttgart - Es soll ein großer Wurf des Landes werden, mit dem Angriffe in digitalen Welten abgewehrt werden: die Cybersicherheitsagentur (CSA) Baden-Württemberg. Mit ihr soll die „Abwehr von Gefahren für die Cybersicherheit ... zentralisiert und weiter professionalisiert werden“, heißt es im Gesetzentwurf des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration. Kein billiges Vorhaben: 13 Millionen Euro sind in den Haushalten 2020 und 2021 für das Projekt veranschlagt, über das „in Ausnahmesituationen“ auch digitale Konferenzen sollen sicher durchgeführt werden können. Für die Region Karlsruhe sammelt eine Versuchsagentur erste Erfahrungen.

Könnte auch das LKA helfen?

Gegen den Plan regt sich Widerstand. Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, ist überzeugt, dass die vorgesehene Landesoberbehörde zu mehr Verwirrung beiträgt, als sie den Menschen im Land nutzt. „Ein Geschädigter oder Ratsuchender muss sich fragen, wo er sich denn hinwenden soll – zum Landeskriminalamt, zum Landesamt für Verfassungsschutz oder zur Cybersicherheitsagentur?“ Aus der Praxis höre er von Opfern von Cyberattacken: „Hätten wie uns doch besser gleich ans LKA gewandt.“

Dort bieten seit acht Jahren Beamte in der Zentralen Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) Hilfesuchenden Rat und vor allem Hilfe an, wenn sie zum Ziel digitaler Angriffe wurden. 1600 Mal haben 2019 Menschen die Hilfe des ZAC gesucht – doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Zudem, kritisiert Kusterer, habe das Pilotprojekt für die „Einrichtung einer Hotline zur Abwehr möglicher Angriffe aufs Gesundheitswesen während der Corona-Pandemie etwa 850 000 Euro für drei Monate erhalten“. Dem LKA und den Polizeipräsidien steht für die Bekämpfung digitaler Kriminalität gerade einmal ein Jahresbudget von 800 000 Euro zur Verfügung. Dabei, lästert Kusterer, sei die Hotline „nicht mehr als ein ADAC-Pannenruf“.

Polizeigewerkschaften warnen vor Chaos in der Zuständigkeit

Schützenhilfe bekommt er von Steffen Mayer, dem Landesvorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er macht eine „erstaunliche personelle Ausstattung“ der geplanten Behörde mit 83 Stellen aus. Im LKA seien dies 2012 beim Aufbau der Abteilung Cybercrime/Digitale Spuren gerade einmal 70 gewesen. Er sieht zudem die Gefahr „von Konkurrenzen in der Aufgabenwahrnehmung, die anstatt zusätzliche Ressourcen zu schaffen und Themenfelder neu zu erschließen, bestehende Ressourcen der aktuellen Akteure bindet“. Anders formuliert: Das Projekt führt für Hilfesuchende zumindest solange zu Wirrwarr und einer Verschlechterung des bestehenden Angebotes, bis sich CSA, LKA und LfV in internen Grabenkämpfen darauf geeinigt haben, wer wann wo und wie für was zuständig ist.

Auch politisch regt sich Widerstand gegen den Plan aus dem Innenministerium. Daniel Karrais, in der FDP-Landtagsfraktion für Digitalisierungsfragen zuständig, sagt: „Effektive Cybersicherheit erreicht man nicht mit Doppel- und Dreifachstrukturen.“ Er will stattdessen die Präventionsangebote für kleinere und mittlere Unternehmen sowie die technische und personelle Ausstattung von LKA und LfV stärken. Er wundert sich, dass der Innen- und Digitalisierungsminister Thomas Strobl den Plan erst zum Ende der Legislaturperiode mit einem Gesetzentwurf zur Diskussion stellt: „Offensichtlich war es ihm zunächst wichtiger, sogenannte digitale Leuchtturmprojekte zu initiieren, als sich um das wichtige Thema der Cybersicherheit zu kümmern“, wirft Karreis dem Christdemokraten vor.

Und fordert, die Tätigkeiten zur aktiven Abwehr, Verfolgung und Aufklärung von IT-Sicherheitsvorfällen müssten beim LKA, dem LfV und den regionalen Polizeipräsidien bleiben. Im Gesetzentwurf aber sei die Gefahrenabwehr in den digitalen Welten als eine der zentralen Aufgaben der Cybersicherheitsagentur benannt.