Innenminister Thomas Strobl (CDU) versichert im Landtag, keine Kritik an der geplanten Cybersicherheitsagentur Foto: 7aktuell.de/Marc Gruber/7aktuell.de | Marc Gruber

Im Innenausschuss diskutieren Landespolitiker kontrovers den Gesetzentwurf, mit dem ein neues Amt Wirklichkeit werden soll. Die jährlich zehn Millionen Euro teure Behörde soll sich dem Kampf gegen Cyberbedrohungen widmen. Das Konzept wird kritisiert – und der Innenminister kennt offenbar die Bedenken aus dem eigenen Verantwortungsbereich nicht.

Stuttgart - In der letzten Sitzung des Innenausschusses des Landtags vor der Wahl wollte Minister Thomas Strobl (CDU) vieles mitgeschrieben wissen: die Bedrohung von Rechnern, Internet und digitalen Welten, wer in in Baden-Württemberg für die Polizei spricht und wer nicht, dass das Landeskriminalamt (LKA) einen „hervorragenden Job“ mache bei der Bekämpfung von Cyberkriminalität – alles „zum mitschreiben!“.

Nur: In der Diskussion um das Gesetz, mit dem künftig eine jährlich mindestens zehn Millionen teure Cybersicherheitsagentur (CSA) im Land aufgebaut werden soll, blieb der Minister viele Antworten auf konkrete Fragen schuldig. Kein Wort, als FDP-Mann Daniel Karreis ihn fragte, warum sein Haus beim LKA eine die CSA bejahende Pressemitteilung bestellte – und nicht bekam.

Oder warum er kritische Stellungnahmen des LKA zu seinem Vorzeigeprojekt CSA nicht vorlege, gar verschweige, dass es diese gebe. Eine Meinung, mit der Strobl aufräumen wollte: Er kenne keine abweichende Stimme zum Gesetz, das solle man ihm erst einmal belegen. Dabei heißt es in einem Brief des Landeskriminalamtes an das Ministerium am 22. April 2020 schon einleitend: Eine Vielzahl von Passagen des Gesetzesentwurfs „lassen trotz sehr umfangreicher, aber nicht immer umfassender Einzelbegründungen erforderliche detaillierte Regelungen offen und somit weiteren Klärungsbedarf erkennen.“

Kritik der Cyberkriminalisten

Die Kriminalen bilanzieren auch kritisch, dass ihre Cyberspezialisten schon nicht hinreichend beim Aufbau der der Kontakt- und Beratungsstelle Cyberwehr seit 2017 eingebunden waren und deshalb „bis heute eine Zusammenarbeit nicht im erforderlichen Umfang erfolgt“. Kaum ein Paragraf im Entwurf der Regelung, an dem die Polizisten nichts zu bemängeln haben: unklare Definitionen, schwammige Formulierungen, falsche Begrifflichkeiten, der Aufbau von doppelten Strukturen. So kommen die Cybersicherheitsexperten des LKA dann auch zu dem Schluss: „Der jetzige Gesetzesentwurf lässt viele Fragen offen.“

Auch für SPD-Innenexperte Sascha Binder. Das Gesetz dürfe nicht verabschiedet werden, weil ihm ein „unausgereifter Entwurf“ zugrunde liege. Die Regelung, mit der eine neue Behörde aufgebaut werden soll, sei „ein Cybersicherheitsrisiko statt Cybersicherheit“. Liberale und Genossen sind sich einig: Der Gesetzentwurf muss zurückgenommen und nach den Landtagswahlen völlig überarbeitet werden.

Ein Weg, den die Grünen nicht mitgehen wollen. Mit Blick auf die anhaltend wachsende Bedrohung und Gefahren in der digitalen Welt „ist mit einem Abbruch“ des Gesetzgebungsverfahrens „niemand geholfen“, ist Innensprecher Daniel Lede-Abal überzeugt. Wenn er auch einräumt, dass „verschiedene Einwendungen, die erhoben wurden, zulässig und notwendig sind“ und in Zukunft „im Aufbau der Behörde und deren Handeln berücksichtigt werden müssen“. Denn niemand könne ein Interesse daran haben, dass parallel zu den Sicherheitsbehörden Doppelstrukturen entstünden.

Polizeigewerkschaften in nie gekannter Eintracht

Genau das aber befürchten alle drei Polizeigewerkschaften in nie da gewesener Eintracht. Zudem führen Deutsche Polizeigewerkschaft, Gewerkschaft der Polizei und der Bund Deutscher Kriminalbeamter an, dass durch den Aufbau der neuen Behörde die Mittel für den Kampf gegen digitale Bedrohungen aufgesplittert statt konzentriert würden, um das ohnehin knappe Fachpersonal ein Kampf entstehe, in dem die Sicherheitsbehörden das Nachsehen habe.

Strobls Hauptargument für sein erklärtes „Premium-Projekt“: Die Polizei könne infiltrierte Netzwerke nicht wieder herstellen. Als Beispiel führt er an: Nach einem Einbruch setze die Polizei auch kein neues Fenster ein. Ob – um im Beispiel zu bleiben – das allerdings Aufgabe einer Behörde sein kann und darf, ist mehr als fraglich. Der Gesetzentwurf passierte mit den Stimmen von Grünen und CDU den Ausschuss. Mit dieser Mehrheit dürfte ihn Anfang Februar auch das Parlament in seiner letzten Sitzung vor der Wahl durchwinken.