Lars Mast aus Tamm (Kreis Ludwigsburg) leidet an Multipler Sklerose. Die Krankheit behindert den 39-Jährigen sehr, aber er will ihr Paroli bieten und die Gesellschaft sensibilisieren.
Das Datum hat sich ihm eingebrannt: Es war Ende Juni 2021. Es war der Moment, der das Leben von Lars Mast aus Tamm komplett veränderte, der seine bis dahin heile Welt gänzlich einzustürzen lassen drohte. An diesem Tag nämlich offenbarte ihm ein Arzt im Krankenhaus, was los ist mit ihm. Es waren nur zwei Worte, aber die reichten: Multiple Sklerose (MS).
Unterstützt von seiner Frau und seinem Arbeitgeber
„Die Krankheit hat mein Leben um 180 Grad gedreht und behindert mich sehr: Meine Zukunftsziele und Träume, meine Karriere und mein Privat- und Familienleben – alles hat sich von heute auf morgen verändert“, erzählt Mast. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat er dann Stück für Stück wieder aus der größten Krise seine Lebens herausgefunden, zwei Schübe der Krankheit verarbeitet, zwei Rehas hinter sich gebracht, sich wieder zurückgekämpft. Vor allem auch Dank der Unterstützung seiner Frau, seines Arbeitgebers und seines privaten Umfeldes.
Eine wichtige Stütze war ihm dabei auch sein guter Freund Alex, der nach einem Autounfall selbst im Rollstuhl sitzt. Er war eine Art Mutmacher und habe ihn dadurch aus seinem „Loch herausgeholt“.
Jetzt sitzt Lars Mast in einem Café in Ludwigsburg, vor ihm steht ein Stück Zwetschgenkuchen und ein dampfender Cappuccino. An den Stuhl hat er seinen Gehstock gelehnt, der nun sein ständiger Begleiter ist. Allzu oft, darf er sich die Leckerei aber nicht gönnen, denn Zucker zählt zu den Lebensmitteln, die er möglichst vermeiden sollte. Inzwischen hat er gelernt, was seinem Körper und auch seiner Psyche guttut – und was eben nicht.
Product-Owner in der Software-Entwicklung
Vor allem Stress sollte der 39-Jährige weitestgehend vermeiden. „Eine Ärztin hat mir deshalb auch geraten auch meinen Job aufzugeben“, sagt er. Aber das wollte er nicht. Derzeit befindet er sich gerade in der zweiten Wiedereingliederung bei der Firma Dürr, wo er als Product-Owner in der Software-Entwicklung arbeitet. „Ich bin froh, so einen tollen Arbeitgeber zu haben.“
Mast ist immer wieder mit Stürzen, Taubheit, Kribbeln, verschwommenem Sehen und Muskelkrämpfen konfrontiert und natürlich mit Schmerzen. Diese Symptome sind für Außenstehende oft nicht sichtbar. „Das erschwert den Umgang damit. Ich möchte die Gesellschaft aufrütteln, sensibilisieren dafür“, sagt Mast. Er will einen Blog ins Leben rufen und hat sich hierfür unter ms-warrior.com auch schon eine Domain gesichert. Doch er kämpft nicht nur gegen MS – viel Kraft benötig ein Betroffener auch, um die anfallende Bürokratie zu bewältigen: „Manche resignieren dabei.“
Im Moment kann der Tammer die Kosten, die seine Krankheit verursacht, noch allein stemmen. Er benötigt ein neues Auto – Automatik mit Sonderanfertigung bei der Bremse und Gas anders angeordnet sind, denn bei ihm ist die rechte Seite eingeschränkt. Aber er weiß nicht, was künftig noch auf ihn zukommt, was er in seiner Eigentumswohnung beispielsweise noch umbauen muss, welche Hilfsmittel er eines Tages noch benötigen wird. „Deshalb habe ich mir der Crowdfunding-Seite GoFundMe Unterstützung geholt, um ein Handbike zu finanzieren, das rund 6000 Euro kostet“, sagt Mast. 5200 Euro sind dabei schon zusammengekommen. Rund 95 Prozent der Spenden sind aus seinem privaten Umfeld. „Das berührt mich und es sind auch frühere Arbeitskollegen aus Darmstadt dabei““, sagt er. Vom Handbike verspricht er sich mehr Unabhängigkeit im Alltag und Mobilität und freut sich schon jetzt auf die erste Ausfahrt mit seiner Frau.
Es braucht Mut, die Krankheit anzunehmen
Neben den körperlichen Symptomen spielt bei MS auch die Psyche eine Rolle - Depressionen, Angstzustände und extreme Müdigkeit belasten auch Lars Mast. In seiner zweiten Reha am Bodensee wurde vor allem die psychische Seite der Krankheit gestärkt. Es braucht Mut, die Krankheit anzunehmen. Eine Psychologin habe ihm dabei als Hausaufgabe aufgegeben aufzuschreiben, was ihn glücklich macht.
Er findet es nicht leicht, Träume zu formulieren – aber Reisen steht ganz oben auf dem Zettel. Als er noch im Außendienst tätig war, hat er 40 Länderpunkte gesammelt. Island und Japan waren nicht dabei. Vor allem Japan hat es ihm angetan – und das hat auch mit einer Süßspeise zu tun, die so zart, weich und federleicht sein soll, wie Blütenschnee: „Ja, ich möchte gerne in Osaka diesen wunderbaren Käsekuchen essen.“
Krankheitsbild
Rund 280 000 Menschen leiden deutschlandweit an Multipler Sklerose (MS). Die Krankheit verläuft sehr individuell, Symptome sind oft verschieden - und benötigen spezifische Therapieansätze. Man nennt sie auch die Krankheit der 1000 verschiedenen Symptome. Dabei kommt es zu Entzündungen des zentralen Nervensystems.
Therapie
MS ist nicht heilbar, aber inzwischen gibt es Wege, um den Verlauf zu verlangsamen. Die genaue Ursache der Krankheit ist unbekannt, die Symptome treten entweder fortschreitend oder in Schüben auf. Weil die Krankheit so individuell verläuft braucht es für die Behandlung auch die Expertise aus unterschiedlichen Fachbereichen: Physiotherapeuten für die Motorik, Logopädinnen für die Sprache, Urologen für den Stuhlgang.
Unterstützung
Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft vertritt die Belange der MS-Erkrankten, organisiert sozialmedizinische Nachsorge und bietet Erkrankten und ihren Angehörigen unabhängige Informationen, Beratung und Unterstützung.