Krankenbetreuung in Wuhan – das Virus verlangt ein neues Denken. Foto: AFP/STR

Kein Land hat so viel Erfahrung im Umgang mit dem Corona-Virus wie China. Das Gesundheitssystem zu stärken ist die wichtigste Lehre aus der Krise, mahnt Zhijie Zheng, Professor an der Peking-Universität im Interview.

Peking - Zhijie Zheng (56) lehrt an der renommierten Peking-Universität Globale Gesundheit. Ein Virus wie Corona könne jederzeit wiederkommen, sagt der Spezialist für Seuchen und Epidemien. Die Welt müsse sich darauf besser vorbereiten.

Herr Zheng, wo befinden Sie sich während unseres Telefonates?

Ich bin zu Hause. Es gibt die Empfehlung, die eigenen vier Wände noch nicht zu verlassen. Das ist eine Vorsichtsmaßnahme, die noch gilt, obwohl die Situation jeden Tag etwas besser wird.

China hat die größte Erfahrung mit dem Corona-Virus. Auf was müssen wir uns vorbereiten?

Dieser Virus übt einen extrem hohen Druck auf das Gesundheitssystem aus. In Wuhan sind Zehntausende in die Krankenhäuser geströmt, darauf war das System zumindest am Anfang nicht vorbereitet. Darauf muss man sich auch in anderen Orten vorbereiten. Inzwischen hat China viel über das Virus gelernt.

Was haben Sie gelernt?

Man kann nicht jeden Fall gleich behandeln. Wir müssen sehr individuell sehen, welche Symptome ein Patient hat, ob er überhaupt Symptome hat, welchen Grad der Infizierung – und danach handeln.

Wir kennen die Bilder aus Wuhan, wo alles geschlossen ist. Wie ist das in anderen großen Städten?

China ist ein großes Land, und die Situation ist in den Regionen sehr unterschiedlich. Es gibt Gegenden an der Ostküste, da ist das Ansteckungsrisiko sehr gering. Deswegen gehen die Menschen da auch schon wieder zur Arbeit oder zur Schule.

Viele Chinesen in Europa halten die hier getroffenen Maßnahmen für unzureichend. Müsste man so intensiv handeln wie in China?

Das zu beurteilen muss immer Sache der regionalen Behörden sein. Die kennen die Situation vor Ort am besten. Wenn ein Patient und seine Kontaktpersonen identifizierbar sind, dann muss man nicht eine ganze Stadt absperren. Man muss den Leuten beibringen vorsichtig zu sein, ohne Panik zu bekommen.

Hat China in seinen Maßnahmen überzogen?

Das denke ich nicht. Zum einen war die Zahl der Infizierten bei uns sehr viel größer als in Europa, zum anderen kam das alles überraschend und ohne Vorwarnung.

Was kann man lernen?

Die Situation lässt sich nicht von Wuhan auf alle Länder spiegeln. Das Wichtigste wird sein, das Gesundheitssystem für Notfälle zu stärken. So ein Virus kann wieder kommen, dann muss man schnell antworten können. Das gilt für uns, für Europa und vor allem für all die Länder, in denen das Gesundheitssystem nicht so ausgebaut ist, zum Beispiel in Afrika.

Wenn Sie Ihre Wohnung verlassen, tragen Sie eine Maske?

Natürlich.

Ist das Pflicht?

Nein, aber es wird sehr empfohlen. In China gibt es so viele Menschen, man ist auf so engem Raum zusammen, da kann man nicht immer den Abstand halten, der sinnvoll wäre.

Wann werden Sie wieder arbeiten können?

Ich arbeite jeden Tag. Ich unterrichte meine Studenten online.