Die Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen sind erst einmal vorbei: Die Coronakrise wird auch für die Finanzpolitiker im Stuttgarter Rathaus zum Stresstest. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die goldenen Zeiten dürften wohl auch für die reiche Stadt Stuttgart vorerst vorbei sein. Derweil hilft die Stadt dem heimischen Gewerbe durch Steuerstundungen und Aussetzung von Mietzahlungen. Vereine und Kulturbetriebe können ihren Jahreszuschuss auf einmal abrufen. Aber reicht das?

Stuttgart - Die Coronakrise stellt auch die reiche Landeshauptstadt vor ungeahnte finanzielle Herausforderungen. Infolge des wirtschaftlichen Einbruchs rechnet Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) offenbar mit dem Verlust von Steuereinnahmen im dreistelligen Millionenbereich. Genau könne er den Verlust aber momentan nicht beziffern, sagte Fuhrmann auf Anfrage. Gleichwohl will die Stadt ihr Möglichstes tun, um Notlagen von Unternehmen, Selbstständigen, Sportvereinen, Kulturbetrieben und Bürgern zu mildern. Den Plänen der Stadtverwaltung zufolge sollen etwa Steuerforderungen und Gebühren zunächst nicht eingetrieben werden. Gewerbesteuervorauszahlungen sollen den Betrieben auf Antrag gestundet werden, sofern die Coronakrise Ursache für deren wirtschaftliche schwierige Situation ist. Gleiches gilt für die Stundung von Miet- und Pachtzahlungen für städtische Gebäude.

Für Sportvereine und kulturelle Einrichtungen, die in normalen Zeiten von der Stadt über das Jahr verteilt Zuschüsse erhalten, wird das Zahlungssystem ebenfalls umgestellt: Sie können sich ihre Zuwendungen als Ganzes auszahlen lassen. Zusätzlich sollen fünf Millionen Euro bereit gestellt werden, um Verluste etwa durch abgesagte Veranstaltungen auszugleichen oder zumindest abzufedern. Dieses Geld muss nicht zurückgezahlt werden.

Das Paket sollte eigentlich am kommenden Donnerstag beschlossen werden. Die anberaumte Sitzung des Gemeinderats wird allerdings um eine Woche verschoben – und dann wegen der Ansteckungsgefahr durch das Virus nur mit einer deutlich reduzierten Zahl von Stadträten abgehalten. Welche zusätzlichen Belastungen in den nächsten Wochen noch hinzukommen, kann aktuell niemand vorhersagen. Städtische Beteiligungsgesellschaften wie das Klinikum, die Messe, der Flughafen oder die SSB sind infolge der Pandemie ebenfalls angeschlagen. Und der Stuttgarter Handel warnt vor einer existenziellen Krise: In einer Zeitungsanzeige hatte Stuttgarts Citymanager Sven Hahn am Wochenende an Stadt und Land appelliert, zur Rettung vieler vor dem Aus stehender Unternehmen Geld locker zu machen, das nicht an eine Rückzahlung gekoppelt ist. OB Fritz Kuhn (Grüne) äußerte Verständnis für die Sorge, verwies aber vor allem auf die Verantwortung von Land und Bund, die die ihrerseits zugesagten Hilfen nun schnellstmöglich auszahlen müssten. Die Stadt werde aber über zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen beraten.

Unterstützung von Unternehmen: OB Kuhn sieht Verantwortung bei Bund und Land

Zur Erinnerung: Schon bei der Verabschiedung des Doppelhaushalts 2020/2021 im Dezember 2019 hatte der Finanzbürgermeister angesichts der sich abzeichnenden konjunkturellen Entwicklung – die Coronakrise schien damals noch sehr weit weg – optimistische Prognosen bezüglich der Gewerbesteuereinnahmen ab 2022 gedämpft. Im Angesicht der wirtschaftlichen Krise dürfe selbst der Ansatz für 2022 (580 Millionen Euro im Vergleich zu 630 Millionen in 2019)) kaum noch zu halten sein. Gleichwohl verfügt Stuttgart im Gegensatz zu vielen anderen vergleichbaren Großstädten über immense Rücklagen von rund drei Milliarden Euro, von denen freilich bereits rund eine Milliarde fest für Projekte wie das Klimaschutzprogramm, die kommunale Wohnungsbauoffensive, die Opernsanierung und -erweiterung oder den Neubau des Katharinenhospitals reserviert sind. Zusätzliche Millionen waren im Doppelhaushalt für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sowie eines Programms für die energetische Wohnungssanierung vorgesehen.

Opernpläne und Wettbewerb für die B  14 werden wohl verschoben

In einer Telefonkonferenz haben die Chefs der Ratsfraktionen am Montag mit dem OB, Verwaltungsbürgermeister Fabian Mayer (CDU)und dem Kämmerer Fuhrmann (CDU) die aktuelle Lage besprochen. Nach Informationen unserer Zeitung wurden dabei noch keine weitergehenden Beschlüsse wie etwa die Aufstellung eines Nachtragshaushalts gefasst. Der im Dezember beschlossene Doppelhaushalt werde wohl in Kürze von der kommunalen Aufsichtsbehörde, dem Regierungspräsidium Stuttgart, genehmigt und folglich auch nicht mehr aufgeschnürt. Im Sommer will der Gemeinderat dann über strukturelle Änderungen im Haushalt entscheiden, um die Folgen der Coronakrise wenigstens teilweise zu kompensieren. Allerdings zeichnet sich nach Angaben von Teilnehmern der Runde schon jetzt ab, dass etwa der Zeitplan für die Sanierung der Oper unter den gegebenen Umständen nicht mehr haltbar ist. Der entsprechende Grundsatzbeschluss des Gemeinderats dürfte wohl ebenso verschoben werden wie der städtebauliche Wettbewerb für die B 14.

Städtische Finanzspritzen für die Stuttgarter Wirtschaft über die genannten Steuer- und Mietstundungen hinaus soll es vorerst nicht geben – da sieht die Stadt zunächst Bund und Land in der Pflicht. Für Citymanager Hahn ist die Diskussion damit aber noch nicht zu Ende: „Die Stadt muss sich in einer solchen Situation schon noch einmal der Frage stellen, ob sie ihre Prioritäten richtig setzt.“