In den Tafelläden können Menschen Ware zu niedrigen Preisen kaufen, die ansonsten entsorgt werden würde. Foto: /Leif Piechowski

Die Coronakrise hat auch Auswirkungen auf die Tafeln. Bei den Schwäbischen Tafeln in Stuttgart glaubt man, den Betrieb während der Pandemie aufrechtzuerhalten. Doch was geschieht danach?

Stuttgart - Ingrid Poppe sagt einen Satz, der sich für Menschen am Rande des Existenzminimums wie ein Schlag in die Magengrube anfühlen muss. „Vielleicht überleben wir als Tafeln das Coronavirus, sind aber danach am Ende“, meint sie. In Tafelläden können Menschen mit niedrigen Einkommen gespendete Waren kaufen, die Geschäfte ansonsten entsorgen würden. Das Sortiment besteht vor allem aus frischen Gütern wie Obst, Gemüse oder Brot.

In der Öffentlichkeit wurden bisher Schwierigkeiten beim Nachschub an Ware angesichts der Hamsterkäufe als zunehmendes Problem für die Tafeln diskutiert. Derzeit macht dies der Projektleiterin der Schwäbischen Tafeln in Stuttgart mäßige Sorgen. Bei Obst und Gemüse werde es in der Tat schwieriger, meint Poppe. „Viele Menschen scheinen ja derzeit nach dem Motto einzukaufen, wenn es kein Klopapier gibt, dann nehmen wir eben Äpfel“, meint sie. Zumindest bei Brotwaren sei das Angebot bisher nicht beeinträchtigt, sagt Poppe. „Brot, das älter als ein Tag ist, hat kein Laden im Sortiment“, erklärt sie.

Tafeln sollen offen bleiben

Sie geht deshalb davon aus, dass die Tafeln in Stuttgart an der Hauptstätter Straße in der Innenstadt sowie in Möhringen und Bad Cannstatt weiterhin geöffnet bleiben und während der Pandemie ihren Betrieb aufrecht erhalten können. In Baden-Württemberg musste bisher jeder dritte Tafelladen wegen der Pandemie schließen. In den sozialen Medien kursiert unter dem Hashtag #aktioneinkaufswagen bereits eine Idee, wie gespendete Waren angesichts der Schließung vieler Tafelläden künftig an Bedürftige verteilt werden könnten. Die von der 44-jährigen Nanette Peithmann aus Zuffenhausen erdachte Kampagne schlägt vor, dass Supermärkte Einkaufswägen aufstellen, in die jeder gekaufte Ware als Spende ablegen kann. „Mitarbeiter von Einrichtungen oder noch geöffneten Tafeln könnten sie dann dort abholen und weiter verteilen“, meint Peithmann. Sie habe bereits Kontakt aufgenommen zu Supermarktketten und bundesweit auf dem Internetnetzwerk Facebook Unterstützer für ihre Idee gefunden, erklärt sie.

Projektleiterin Poppe sorgt sich vor allem um das langfristige Angebot der Tafeln über die akute Viruskrise hinaus. Da Tafelläden wie andere gemeinnützige Vereine keinen Gewinn erwirtschaften dürfen, stünden keine finanziellen Rücklagen zur Verfügung, warnt Poppe. „Wir finanzieren uns wesentlich über die eh schon reduzierten Preise der Waren“, erklärt sie. Viele Kunden gehörten zu Risikogruppen und einige blieben nun weitgehend zu Hause. Sie wisse nicht, wie sich diese Kunden derzeit versorgen, sagt sie.

Laufende Kosten fallen an

Aber während die Tafelläden laufende Kosten wie zum Beispiel die Miete weiter bezahlen müssten, sänken derzeit die Einnahmen, erklärt Poppe. Auch die Öffnungszeiten der Tafeln sind werktags um zwei Stunden von 10 bis 14 Uhr statt 10 bis 16 Uhr reduziert worden. Samstags haben die Läden geschlossen.

Sie erwartet, dass Bürger und Verwaltung zur Stelle sein werden, falls die Tafelläden nach der Pandemie finanziell in Schieflage geraten sollten. „Wir wollen jetzt unbedingt den Betrieb aufrechthalten. Wenn wir nach der Epidemie die Hand heben sollten und um Hilfe bitten, sind andere hoffentlich da“, sagt sie.

Freiwillige melden sich

Mut mache ihr, dass sich bereits Freiwillige melden, um die Tafelläden zu unterstützen. Denn viele Ehrenamtliche sowie Mitarbeiter mit einem 1-Euro-Job gehören zu den Risikogruppen für eine Corona-Infektion dürfen nicht mehr weiterarbeiten. „Das zeigt mir, dass wir von der Öffentlichkeit gesehen werden“, sagt die Projektleiterin.

Die Kunden der Tafelläden nähmen ihr zufolge die neuen Regeln für den Einkauf bei der Tafel gelassen hin. Kunden dürfen zurzeit nur der alphabetischen Reihenfolge nach die Läden betreten, um Menschenansammlungen zu verhindern. „An einem Tag sind diejenigen dran, deren Familienname mit den Buchstaben A bis M beginnen und am nächsten Tag, diejenigen von N bis Z“, erklärt Poppe. Die neue Regelung wird im Internet und derzeit auch durch einen Mitarbeiter vor dem Laden kommuniziert. „Viele Kunden sind dankbar, dass wir noch offen haben. Ich glaube, es geht bei uns freundlicher zu, als in irgendeinem Supermarkt am Klopapierregal“, sagt Poppe.

Kunden bleiben gelassen

Insgesamt sieht sie bei ihren Kunden, die alle am Rande des Existenzminimums leben Flexibilität im Umgang mit den Veränderungen im Alltag durch den Coronavirus. „Ich glaube, sie kommen mit der jetzigen Situation ganz gut zurecht, weil für sie eigentlich immer Krise ist“, sagt die Projektleiterin.