Ist es eine Welle? Das sagen einem die richtigen Corona-Kennziffern. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

Vermutlich sieht man von der mittlerweile siebten Infektionswelle nur die Spitze des Eisbergs. Zwei Indikatoren sind dennoch aussagekräftig.

Ganz falsch liegt die Inzidenzkurve nicht. Seit zwei Wochen steigt die Zahl der bestätigten Corona-Neuinfektionen, nun nennt man die Entwicklung beim Namen: Wir erleben die erste Corona-Sommerwelle. Bisher waren die Wellen stets bis Ende Mai abgeklungen, oftmals auf sehr niedrige Werte. Mit Omikron ist es anders – die Zahlen fielen nie in den ein- oder zweistelligen Bereich, und anders, als man es bisher kennt, steigen sie schon wieder.

Die 7-Tage-Inzidenz leidet mittlerweile unter zahlreichen Einschränkungen. An Wochenenden werden gar keine Daten mehr erfasst, derzeit ist die Aussagekraft besonders eingeschränkt, weil wegen der vielen Feiertage, an denen keine Infektionen gezählt werden, auch die wochenweise Vergleichbarkeit nur eingeschränkt gegeben ist. Zwei andere Kennwerte machen deutlich, dass es sich um eine Infektionswelle handelt. Einerseits der Anteil positiver PCR-Tests, ermittelt vom Laborverband ALM. Er ist ein zuverlässiger Indikator von Infektionswellen: Steigt der Anteil, dann nimmt auch das Infektionsgeschehen zu. Vor drei Wochen lag er unter 30 Prozent, jetzt bei 44 Prozent.

Die „wahre“ Inzidenz

Ein hoher Anteil positiver PCR-Tests gilt auch als Hinweis auf eine hohe Dunkelziffer. Das Robert-Koch-Institut (RKI) geht davon aus, dass sich mindestens doppelt so viele Menschen infizieren, wie die Inzidenz ausweist. Aus Meldesystemen von Ärzten weiß das RKI, dass allein der Anteil von coronabedingten Arztbesuchen zuletzt bei wöchentlich rund 240 Fällen je 100 000 Menschen lag. Zudem schätzt das Institut auf Grundlage seines Meldesystems Grippeweb die „wahre“ Corona-Inzidenz auf 700 bis 1400 Fälle je 100 000 Einwohner. Letztlich komme es aber „nicht so sehr darauf an, ob die Inzidenz bei 430 liegt oder bei 600, sondern auf den Trend“, sagte am Freitag der RKI-Vizepräsident Lars Schaade.

Omikronvariante stärker als der Sommer

„Wir sehen, dass die ansteckenderen Untervarianten BA.4 und BA.5 in Kombination mit den vielen Kontakten bei aktuell kaum vorhandenen Schutzmaßnahmen stärker sind als die Saisonalität, die wir in den vergangenen beiden fast coronafreien Sommern gesehen haben“, sagt der Hamburger Epidemiologe Ralf Reintjes. Das könne man europaweit beobachten: „Derzeit gibt es eine Infektionswelle wie im Winter, nur wir sehen sie wegen des heruntergefahrenen Testverhaltens vieler Infizierter nicht.“

Ideal wäre laut Reintjes eine Sentinelstudie – also dass ein repräsentativer Teil der Bevölkerung regelmäßig befragt und getestet wird. Bis so etwas kommt, muss man sich mit anderen Indikatoren behelfen, um die nächste Welle zu erkennen.